Seite - 148 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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gegen mich ein. Das Wirken Schönaichs sowie seine Persönlichkeit
wurden in denHimmel gehoben. Er wurde als Ausbund aller mensch-
lichenund militärischenTugendengerühmti), unddasVerdrängen von
seinem Posten als Mache schwärzesterIntriganten hingestellt. Wiener
und Budapester Blätter waren ausnahmsweise eines Sinnes, und be-
sonders letztere sangen ihm einum so kräftigeresLoblied, als siedabei
den so wenig beliebten Thronfolger verlästern konnten. Als präsum-
tiver Nachfolger wurde wohl stets meinName genannt, dochkam ich
dabei schlecht weg, da ich eben der Kandidat Franz Ferdinands war.
In jener Zeit trat ich mit zwei hervorragenden Persönlichkeiten
in Korrespondenz, mit dem berühmten Rechtsgelehrten Hofrat und
Professor Dr. Bernatzik und mit dem Grafen Tisza.
Bernatzik und ich hatten vielegemeinsameAnschauungen in staats-
rechtlichen, das Verhältnis zu Ungarn betreffenden Fragen. Auch
später, in meiner furchtbaren Leidenszeit, blieb ich mit diesem aus-
gezeichneten Gelehrten inVerbindung, dessen Rat ich einige Male er-
bat. Sein kompilatorisches, die Ausgleichsgesetze behandelndesWerk,
davon er mir ein Exemplar dedizierte, war mir sehr wertvoll und
wurde fürmich während meinerMinisterzeitzumwahrenVademekum.
Tisza kannte ich flüchtig aus der Zeit, da ich in Györ Brigadier
war. Im Sommer 1911 veröffentlichte der Graf seine Ansichten über
die Ausgestaltung der Armee, die jeder hohe Offizier nur begrüßen
konnte. Ich schrieb ihm herzliche Worte und erhielt eine ebenso
herzliche Antwort. Im Verlaufe der Korrespondenz sandte ich ihm
die Denkschrift über die Verhältnisse und Situation unserer Armee,
die ich einst dem Thronfolger eingereicht hatte. Tisza bewies vollstes
Verständnis, wobei er allerdings den Standpunkt des ,,Nur-Magya-
ren", des ungarischen Oligarchen, einnahm. Hierdurch war eigent-
lich schon festgelegt, daß wirkaum an einem Strange ziehen könnten,
falls einst beiderseits unsere Berufung erfolgen sollte. Denn ich war
nicht Willens, den Ungarn einen prädominanten Einfluß in den reinen
Militärfragen einzuräumen, hätte es auch nicht zu erzwingen ver-
^)ImGegensatz hierzufanden indenDelegationssitzungenvom 8. und 10. No-
vember 1910 sowie in der Sitztmg des österreichischen Parlamentsvom 25. No-'
vember Interpellationen statt, die sich gegen Schönaich, Generalauditor Treid-
ler tmd denGeneralmajorSchleyer wendeten imd sowohl die sogenannte ,,Ko-
lischer Affäre" als auch eine Provisionsaffäre zmn Gegenstand hatten. Diese
Interpellationen wurden vom Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses Za-
zworka eingebracht imd auch in einer Broschüre mit voller Namensnennvmg
veröffentlicht. Sie brachte eine Reihe der eigenartigsten Vorfälle zur Dar-
stellimg. Darauf erfolgte — nichts! Die darin Angegriffenen Ueßen all die
erhobenenAnwürfe auf sich beruhenundlebten ruhigweiter. Wohl einpacken-
der Unterschied gegen jenes Verfahren, das man etliche Jahre später auf
Grund eines Verdachtes gegen mich einzuleiten beliebte.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918