Seite - 149 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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mocht, da doch mein eigentlicher Mandatar, der Thronfolger, An-
schauungen hatte, die jenen der Ungarn schnurstracks entgegen-
liefen. Im folgenden Kapitel werde ich berichten, wie Tisza und ich
durch den Zwang der Verhältnisse hart aneinander gerieten, was in
jeder Hinsicht zu bedauern war. Tisza bedeutete die markigste und
positivste Individualität Ungarns, ja der Monarchie überhaupt. Eine
providentielle Persönlichkeit, die stürmischer Zeiten bedurfte, um
zur vollen Entfaltung zu gelangen.
Durch Brosch wurde ich von der Fortdauer der Kämpfe in der
Ministerfrage in Kenntnis gehalten. Es war fast eine Prestigefrage
geworden, deren Lösung beim Erzherzog eine wahre Leidenschaft-
lichkeit hervorrief, beim Monarchen jenen Starrsinn, der just auf
dem Gebiete gerne betätigt wurde, das noch immer den letzten Rest
einstiger vollster Selbstherrlichkeit repräsentierte. Unter diesenUm-
ständen gedieh die Reinkultur an Ohrenbläserei, Hinterträgerei und
Vernaderung, die ihre Verästelung in die verschiedensten Preßorgane
trieb. Die Gegensätze zwischen Kaiser und Thronfolger spitzten sich
derart zu, daß Franz Ferdinand sich weigern wollte, den Armee-
manövern beizuwohnen. Schließlich fand man sich damit ab, daß'
ein Ministerwechsel stattfinden würde, doch ,,nur nicht der Auffen-
berg, nicht der Vertrauensmann des Thronfolgers!" Die Militär-
kanzlei, das Kriegsministerium, viele Hofwürdenträger waren darin
eines Sinnes, und auch solche schrieen mit, die mich kaum oder gar
nicht kannten. Dafür wendeten sich schon damals viele Stimmen
meinem spätem Nachfolger, Feldzeugmeister Krobatin, zu. Er besaß
die Gunst des Kaisers und der Militärkanzlei in reichem Maße und
hatte überdies alle Eigenschaften eines allseits zusagenden öster-
reichischen Ministerkandidaten.
Mir wurde die Sache von Tag zu Tag odioser, so daß mich letzten
EndesnurderWunschbeseelte,davonnichtsmehrzuhörenundzusehen.
Ich begrüßte daher die beginnende Manöverzeit, die mich aus diesem
widerlichen Intrigennetz auf ein mir sympathisches Arbeitsfeld zog.
Die Übungsperiode fand auf der Hochebene von Kalinovik und in
der Zelena Gora statt, knapp an der montenegrinischen Grenze. Ein
herrlicher Urwald in pittoresker Gegend, auf deren Bergschroffen
Gemsen klettern und die Adler um ihre Horste kreisen. Tief unten
ein still-weihevoller Gebirgssee, an dessen Ufern schon oft die blutig-
sten Kämpfe getobt und auf dessen Grund viel hundert tapfere
Streiter gebettet liegen.
Diese Manöver begannen mit einer groß angelegten kombinierten
Schießübung, die ich selber leitete. Mir war daran gelegen, das Zu-
sammenwirken von Infanterie und Artillerie bei einem Angriff recht
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918