Seite - 2 - in Aus Österreichs Vormärz - Galizien und Krakau

Die Patrioten sahen in dieser vSchöpfung den Ansatz zu einem unabhängigen Staatswesen, eine Meinung, die noch tiefere Wurzeln faßte, als Napoleon nach Beendigung seines Krieges mit Österreich dem Herzogtum auch West- galizien'^) und Krakau einverleibt hatte.-') Diese neue territoriale Veränderung entsprach keines- wegs den Absichten Alexanders, da das Herzogtum unter der Ägide Frankreichs stand, wie schon die Verfassung bewies, die es von Napoleon erhalten hatte. '') Damals wollte der Zar eine Herstellung des Jagellonenreiches nicht zu- lassen, denn ihm bangte vor dem Verluste seiner polnischen Besitzungen und er hatte daher schon während des fran- zösisch-österreichischen Waffenganges der Einladung nicht Folge geleistet, sich zumKönig vonPolen zu proklamieren. *•) Und nun begann zwischen beiden Kaisern ein Intrigen- spiel, das schließlich zum Bruche führte. ') Die polnischen Patrioten schöpften neue Hoffnungen und erwarteten ihr Heil von Napoleons Siegen. Der Reichs- tag konstituierte sich als Generalkonföderation, die die Wiederherstellung des Königreichs proklamierte. Nur kurze Zeit währte die Begeisterung — die Katastrophe, welche den Korsen auf den Eisfeldern Rußlands und bei Leipzig ereilte, blieb nicht ohne Wirkung auf das Schicksal der polnischen Nation; es lag nun in den Händen Alexanders, der das Großherzogtum Warschau bereits in seine Ver- waltung genommen hatte. In der sicheren Erwartung, Napoleon niederzuringen^ hegte der Zar seit Beginn des Feldzugs den Wunsch, zu- nächst aus dem napoleonischen Herzogtum Warschau'') und den polnischen Gebieten der russischen Krone ein Zaren- reich Polen mit konstitutioneller Verfassung und eigener Armee zu errichten, das in Form einer Personalunion mit Rußland verbunden sein sollte. Dieses hätte sich alsdann bis an die Karpathen erstreckt und freie Hand im Orient erhalten. Ein derartiges Vorrücken des nordischen Kolosses zu gestatten, lag keineswegs in der Absicht der übrigen