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samt ist der Band angenehm ‚kosmopolitisch‘, da man nicht nur über die österreichischen
Universitäten Wien, Graz und Innsbruck, sondern auch über Czernowitz […] und beson-
ders Prag […], zumal in der NS-Zeit, viel Neues erfährt.“
Christian Jostmann schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“ : „Die Beiträge sind auf-
schlussreich nicht nur deshalb, weil sie deutliche Parallelen zu reichsdeutschen Historiker-
Biographien aufzeigen, sondern auch die vielfältigen Vernetzungen in der ‚großdeutschen‘
akademischen Szene bis 1945 erhellen.“24
Außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses positioniert – da den seit den 1990er Jah-
ren erreichten Forschungsstand ignorierend und mit persönlichen Angriffen untersetzt –
ist die vornehmlich auf pauschalen Urteilen und Apologien basierende „Rezension“ in
„Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung“25. Eine direkt an
24 Siehe Jostmann (wie Anm. 4).
25 Zumindest folgende aufschlussreiche Passage, die auf einer selektiven Geschichtskenntnis zu basieren scheint,
sei zitiert : „Es wird bei fast allen Beiträgen [des ersten Bandes, K.H.] besonderes Gewicht auf die Frage gelegt,
wieweit der betreffende Historiker ‚völkisch‘ oder ‚großdeutsch‘ gesinnt war und wie eng er institutionell oder
in seiner politischen Einstellung dem Nationalsozialismus verbunden war. Es wird durch diese Betrachtungs-
weise nicht nur der Eindruck erweckt, als sei die österreichische Geschichtswissenschaft ideologisch besonders
eng mit dem Nationalsozialismus verbunden gewesen, sondern es wird einigen der Historiker direkt morali-
sche Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes zugeschrieben, es wird ihnen unterstellt, dass sie in
voller Kenntnis der Verbrechen dem Regime gedient haben. [Konkrete Beispiele werden vom Rezensenten
nicht angeführt, K.H.] Es wird aus dem Wissen des Jahres 2000 ein wissenschaftliches Verhalten be- und ver-
urteilt, das in einer völlig anderen Konstellation eingebettet war. Man hätte – so urteilt der Herausgeber – in
den ‚fünf Jahren zwischen 1933 und 1938 Zeit gehabt, die Errichtung und Etablierung des NS-Regimes in
Deutschland ›von außen‹ zu beobachten‘ und hätte doch ‚anscheinend keine Angst oder Abscheu vor dieser
Diktatur‘ gehabt. Was der Historiker Hruza heute weiß, konnten die Historiker der 1930er Jahre nicht wissen,
nicht nur die Anschlussfreunde, sondern auch die Gegner des Regimes waren damals geblendet von den pro-
pagandistisch so erfolgreich präsentierten Leistungen im Dritten Reich, und die Meldungen über Entrechtung
der Juden und die Verfolgung von Regimegegnern nahmen sich bis in die ersten Kriegsjahre weit weniger
gefährlich aus als die Meldungen und das Wissen, das man in jenen fünf Jahren über das Geschehen in der
Sowjetunion zu hören bekam. Die historische Situation der Jahre von 1933 bis 1945 ist viel zu komplex, um
mit Schuldvorwürfen an jene abgetan zu werden, die das Unglück hatten damals zu leben. Das Bekenntnis
zu einem nationalen Sozialismus und die Überzeugung von einer Verpflichtung zu einer kulturellen Füh-
rungsrolle der Deutschen ist nicht verschieden von dem idealistischen Anspruch des amerikanischen manifest
destiny. Damals so wie heute wird weltanschaulicher Idealismus zu machtpolitischer Vernichtungspolitik miss-
braucht. Niemand wird Schostakowitsch vorwerfen, dass er durch sein künstlerisches Mitwirken mitschuldig
wurde an den Untaten des Stalinismus, […]. Erklären und verstehen, urteilen und nicht verurteilen sollte die
Grundhaltung des Historikers sein : in einigen der Beiträge […] wird gegen diese wissenschaftliche Grundhal-
tung verstoßen.“ Siehe Fellner (wie Anm. 2) 275. In Fritz Fellner, Geschichtsschreibung und nationale
Identität. Probleme und Leistungen der österreichischen Geschichtswissenschaft (Wien/Köln/Weimar 2002)
12, postulierte der Rezensent, er hätte gelernt, „Verständnis für die Haltung von Andersdenkenden zu haben
und ihnen gegenüber nicht nur Toleranz zu üben, sondern im wissenschaftlichen Leben ihnen die Chance
zur Vertretung ihrer Auffassungen zu sichern“. Die ebd. 277–384 versammelten sieben „Biografischen Skiz-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien