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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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30 Andrea Rzihacek und Christoph Egger Diplomata Karolinorum und den Placita während des Krieges, so intensivierte Tangl in dieser Zeit seine Arbeit an den Epistolae, besonders der von ihm begründeten Reihe der Epistolae selectae. Obwohl die Hörerzahlen während des Krieges drastisch zurückgingen – Das Semester [Sommersemester 1915] begann, wie zu erwarten stand : in Urk[undenlehre] II 1 Buckliger, 1 Lahmer, 5 Herzkranke, 1 Nierenkranker und 4 Damen24 –, bot Tangl auch während der Kriegsjahre immer mindestens vier Lehrveranstaltungen pro Semester an. Um in seinen Berliner Studenten das Bewusstsein der geschichtlichen Entwicklung und der Rolle der österreichisch-ungarischen Monarchie innerhalb Europas zu schärfen, wandte er sich gerade in der Zeit, als sich ihr Zusammenbruch abzuzeichnen begann, in seinen Vor- lesungen, aber auch in seinen Seminaren an der Berliner Universität vermehrt Themen aus der österreichischen Geschichte, sogar aus dem Bereich der Neuzeit, zu25. Die sowohl beruflich als auch in menschlicher Hinsicht schwierigen Kriegsjahre und der sich ankündigende Zerfall der Donaumonarchie, deren Bestand für Tangl aus histo- rischer Sicht, wohl aber auch aus emotionalen Gründen eine Notwendigkeit darstellte, forderten von Tangl in physischer (durch die Mangelernährung)26 und psychischer (durch die zahlreichen Todesfälle im Bekanntenkreis und durch die unsichere politische Zukunft seiner Heimat) Hinsicht ihren Tribut. Seine Überforderung machte sich in verschiedener Hinsicht bemerkbar. Zum einen war es ihm nicht mehr möglich, seine Kräfte gleicher- maßen auf die verschiedenen ihm anvertrauten Projekte zu konzentrieren, was zu einer Verzögerung oder, wie ihm mehrfach vorgeworfen wurde, Verschleppung anstehender Arbeitsschritte führte. Zum anderen zeigte sich nun vor allem, dass große Organisations- aufgaben nicht seiner Natur entsprachen und ihn besonders in dieser Zeit überforderten. Diesen von seinen Zeitgenossen als „Kriegsnervosität“ oder auch „Kriegspassivität“ apo- strophierten Zustand, der als Folge des Krieges während dieser Jahre gar nicht selten zu beobachten war27, bezeichnete Tangl selbst als geistige Abnormität, die er in den letzten zwei Jahren selbst mit Bangen und Schrecken wachsen sah28. Andere wiederum konstatierten, 24 Tangl in einem Brief an Bresslau vom 08.05.1915, zitiert nach Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 262. Mit der befremdlichen Nennung von weiblichen Studenten in einem Atemzug mit Behinderten und Kranken wollte Tangl vermutlich ausdrücken, dass durch den Ausfall der nahezu gesamten wehrhaften Bevölkerung auch Exoten, zu denen Frauen damals zweifellos noch an den Universitäten zählten, plötzlich einen im Vergleich zu vorher unverhältnismäßig großen Anteil der Hörerschaft ausmachten. 25 Zu ähnlichen Haltungen österreichischer Historiker in Österreich vgl. Günther Ramhardter, Geschichts- wissenschaft und Patriotismus. Österreichische Historiker im Weltkrieg 1914–1918 (Österreich Archiv 22, Wien 1973) 57–62 und 180–183. 26 Karl Hampe vermerkte am 26.04.1917 in seinem Tagebuch : Tangl hatte 40 Pfund abgenommen ; das ist so ziemlich die Regel. Siehe Karl Hampe, Kriegstagebuch 1914–1919, hg. v. Folker Reichert, Eike Wolgast (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts 63, München 22007) 539. 27 Vgl. dazu mit den entsprechenden Nachweisen Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 270f. mit Anm. 1134. 28 Ebd. 271, nach einem Schreiben Tangls vom 16.01.1919 an Bresslau. München, Archiv der MGH, B 40.
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
2
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78764-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
678
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien
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