Seite - 32 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Bild der Seite - 32 -
Text der Seite - 32 -
32 Andrea Rzihacek und Christoph Egger
verschwunden – konnte schließlich durch die Rettungsaktion einer anonym handelnden,
mit Tangl befreundeten Persönlichkeit beigelegt werden32.
Die letzten Lebensjahre Tangls nach dem Krieg waren gekennzeichnet einerseits von
der Beendigung seiner Mitarbeit an den Diplomata Karolinorum, denen er im April 1920
– ob freiwillig oder auf Druck Kehrs, ist nicht sicher – den Rücken zuwandte, anderer-
seits von der Wiederaufnahme der Arbeiten für die Epistolae-Abteilung, wobei er sich
besonders der Vorbereitung seiner Edition des Registrum super negotio imperii aus der
Kanzlei Papst Innocenz’ III. widmete. Sein plötzlicher Tod am 7. September 1921 nach
einer Ruhrinfektion, die er sich im Sommer 1921 zugezogen hatte, als er erstmals nach
dem Krieg wieder in seiner Heimat Kärnten den Urlaub verbrachte, entriss ihn, 60-jährig,
einer weiteren wissenschaftlichen Tätigkeit, der er sich nach Jahren der Entbehrungen,
psychischer Strapazen und Überforderung durch organisatorische Verpflichtungen wieder
mit Enthusiasmus zuzuwenden begonnen hatte33. Tangls Tochter Georgine, die ebenfalls
Historikerin war und neben ihrer Tätigkeit als Gymnasiallehrerin freiberuflich für die
MGH arbeitete – sie widmete sich besonders Fragen aus dem Gebiet der Diplomatik
und den Registern Innocenz’ III. – machte sich die Bewahrung des wissenschaftlichen
Vermächtnisses ihres Vaters zur Lebensaufgabe. Die Krönung ihrer Bemühungen war das
Erscheinen einer zweibändigen Aufsatzsammlung „Mittelalter in Quellenkunde und Dip-
lomatik“, der sie eine kurze Lebensbeschreibung ihres Vaters voranstellte34.
II. … dieser wahrhaft gute Mensch : Familie und Persönlichkeit
Der geschwisterlos aufwachsende Tangl muss eine „recht sorglose“ und „behütete“ Kind-
heit in seiner Kärntner Heimat verbracht haben35, da seine lebenslange Verbundenheit
32 Vgl. dazu Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 275f. Selbst Kehr, der Tangls Leitung der MGH aus verschiedenen
Gründen skeptisch gegenüberstand, urteilte abschließend folgendermaßen über dessen Amtszeit : „Bereits vor
dem 1. Weltkrieg war die Aufgabenfülle, die Tangl zu bewältigen hatte, zu groß geworden : Aber so groß seine
Arbeitskraft war, alle diese Aufgaben nebeneinander und gleichmäßig zu fördern, war menschenunmöglich ;
im großen Stile zu organisieren lag nicht in seiner Art […]. Tangl selbst hat unter diesen Verhältnissen schwer
gelitten […]. Um so mehr ist anzuerkennen, was Tangl unter so schwierigen und ungünstigen Verhältnissen
[seit 1914] für unser Unternehmen [die MGH] geleistet hat.“ Kehr, Tangl (wie Anm. 6) 142f.
33 Tangl wurde in Klagenfurt auf dem Städtischen Friedhof Annabichl begraben. Ende der 1920er-Jahre wurde
sein Grab, dessen Grabstein nach einem Aufruf des Geschichtsvereins für Kärnten von zahlreichen Mitgliedern
der Preußischen Akademie der Wissenschaften und den MGH finanziert wurde, von der Stadt Klagenfurt
zum Ehrengrab erhoben ; vgl. dazu Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 286, und Ines Oberling, Ernst Perels
(1882–1945). Lehrer und Forscher an der Berliner Universität (Bielefeld 2005) 132f.
34 Tangl, Mittelalter 1–2. Zur Lebensbeschreibung vgl. oben Anm. 4.
35 So zumindest Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 18.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien