Seite - 40 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
40 Andrea Rzihacek und Christoph Egger
Aus verschiedenen Gutachten Tangls geht hervor, dass er selbst wie seine anderen Ber-
liner Kollegen bei Habilitanden Wert auf allgemeine historische Kenntnisse, die Erfassung
politischer Zusammenhänge und großer zusammenhängender Entwicklungen legte. Ge-
gen enges Spezialistentum sprach er sich mehrfach dezidiert aus. Er forderte zudem – und
lobte ausdrücklich – Klarheit, leichte Lesbarkeit, Anschaulichkeit und Lebendigkeit der
Darstellung66. Trotzdem war die Tatsache, der „Schule“ Tangls angehört zu haben, für
manche zeitgenössischen Fachkollegen nicht immer eine unbedingte Empfehlung. Wie
gegen Tangl wurden auch gegen viele seine Schüler – dokumentiert etwa in den Habili-
tationsgutachten über Otto Cartellieri und Walter Norden, oder auch in jenem Dietrich
Schäfers über Perels67 – immer wieder, meist doch teilweise auch berechtigte, Vorwürfe
des Spezialistentums erhoben.
IV. Taxen, Kanzleiordnungen, Papsturkunden :
Tangls Beiträge zur päpstlichen Diplomatik
Unter Tangls wissenschaftlichen Arbeitsgebieten ist die Beschäftigung mit der Diploma-
tik der Papsturkunden vielleicht am meisten der Gunst der Stunde verdankt. Als er im
Januar 1888 nach Rom kam, lag die Öffnung des Archivio Segreto Vaticano für die his-
torische Forschung erst wenige Jahre zurück und die – wie es die Zeitgenossen nannten
– „Ausbeutung“ der Schätze des Archivs durch die sich nach und nach konstituierenden
ausländischen historischen Institute und Akademien kam langsam in Fahrt. Tangls aka-
demischer Lehrer Sickel hatte frühzeitig die Bedeutung der vatikanischen Archivbestände
betont und konnte durch hartnäckiges und zielstrebiges Werben die zuständigen Stellen
von Kaiser Franz Joseph I. abwärts von der Sinnhaftigkeit der Errichtung einer ständigen
österreichischen historischen Forschungseinrichtung in Rom überzeugen68. 1883 erhielt
66 Vgl. dazu Kolař, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 57) 421–430. Es fehlt nicht an Aussagen von Schülern
und Kollegen Tangls, die dessen weiten Horizont hervorheben, vgl. etwa Krabbo, SB (wie Anm. 13) 4 : „wie
er die Hilfswissenschaften nie um ihrer selbst willen betrieben hatte, sondern stets als Mittel zum Zweck histo-
rischer Erkenntnis, so traten allgemeingeschichtliche Interessen je länger je mehr bei ihm in den Vordergrund ;
namentlich für kulturgeschichtliche Zusammenhänge besaß er Verständnis.“
67 Vgl. Kolař, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 57) 429.
68 Vgl. Theodor von Sickel, Römische Erinnerungen. Nebst ergänzenden Briefen und Aktenstücken hg. v. Leo
Santifaller (Veröff. des IÖG 3, Wien 1947) ; Walter Goldinger, Österreich und die Eröffnung des Va-
tikanischen Archivs, in : Archivalische Zs. 47 (1951) 23–52 ; Karl Rudolf, Geschichte des Österreichischen
Historischen Instituts in Rom von 1881–1938, in : Römische Historische Mitteilungen 23 (1981) 1–137, zur
Vorgeschichte der Gründung hier 8–19. Vgl. auch Christine M. Grafinger, Anfänge der österreichischen
Forschung im Archivio Segreto Vaticano und in der Biblioteca Apostolica Vaticana, in : Römische Historische
Mitteilungen 49 (2007) 429–455. Zum wissenschaftsgeschichtlich-zeithistorischen Kontext : Il libro del Cen-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien