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46 Andrea Rzihacek und Christoph Egger
In der Beschäftigung mit den Verfahrensregeln der päpstlichen Kanzlei folgte Tangl
einer Fragestellung, der sich neben Ottenthal auch schon Kaltenbrunner, Fanta und be-
sonders Diekamp gewidmet hatten96, die ihre jeweiligen Vorhaben aber aus verschiedenen
Gründen nicht zum Abschluss bringen konnten. Tangl gelang es durch seine profunden
hilfswissenschaftlichen Fähigkeiten und getragen von Begeisterung und Ausdauer, die Er-
forschung dieser zum Teil etwas spröden Materie wesentlich voranzubringen. Im Juli 1889
legte er brieflich Sickel seine weiteren Arbeitspläne dar. Mit der Rückkehr aus Italien war
die Materialsammlung vorerst abgeschlossen und es ging an die Durcharbeitung und Mus-
terung meines ganz gewaltig angewachsenen Manuscripts97 ; dies hatte Tangl im Herbst so
weit abgeschlossen, dass er das Ergebnis seiner Arbeit an der Universität Wien unter dem
Titel „Das Taxwesen der päpstlichen Kanzlei vom 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts“
als Dissertation einreichen konnte. Seine Promotion erfolgte am 23. Dezember 188998,
1892 wurde die Arbeit in Aufsatzform in den MIÖG veröffentlicht99. Mit den von den
Parteien zu leistenden Zahlungen für die Dienste der päpstlichen Kanzlei untersucht sie
einen, allerdings zentralen, Teilaspekt der Tätigkeit und Verfahrensregeln dieser Institu-
tion. Tangl verbindet hier die überaus gründliche Darstellung der Sachverhalte, die sich
nicht nur auf die gleichsam normativen Texte der Verfahrensvorschriften der Kanzlei,
sondern auch auf deren praktische Umsetzung, wie sie aus den Taxvermerken auf den
Urkundenausfertigungen erkennbar ist, stützt, mit dem Abdruck einiger für seinen Ge-
genstand zentraler Texte aus den Kanzleiordnungen.
Nicht nur diese Veröffentlichung zeigt Tangls Spezialisierung im Gebiet der Papstdip-
lomatik, sondern auch eine Reihe von zum Teil umfangreichen Rezensionen einschlägiger
Werke, die er neben seiner im Herbst 1889 aufgenommenen beruflichen Tätigkeit als Archi-
var vor allem in den MIÖG veröffentlichte. So erschien 1890 eine ausführliche und sehr lo-
bende Besprechung von Ottenthals Ausgabe der Kanzleiregeln mit wertvollen Ergänzungen
aus Tangls eigener Arbeit100, während er 1891 eingehend eine Arbeit Henry Simonsfelds101
96 Wilhelm Diekamp, Die neuere Literatur zur päpstlichen Diplomatik, in : HJb 4 (1883) 210–261, 361–394,
hier 380 : Handschriften der Kanzleiregeln und der Formeln sind viele erhalten ; auch hier steht eine Publikation
von Kaltenbrunner und Fanta in Aussicht ; die Handschrift Dietrichs [von Nieheim] hoffe ich demnächst veröf-
fentlichen zu können.
97 IÖG, NL Sickel, 04.07.1889 ; vgl. auch den Brief vom 15.05.1889 an Mühlbacher, IÖG, NL Mühlbacher.
98 Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 37.
99 Michael Tangl, Das Taxwesen der päpstlichen Kanzlei vom 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, in :
MIÖG 13 (1892) 1–106, und in : ders., Mittelalter 2 734–838. Tangl berichtete am 12.04.1891 Mühlba-
cher über gewisse Erweiterungen der Arbeit gegenüber der Dissertationsfassung, IÖG, NL Mühlbacher.
100 MIÖG 11 (1890) 337–342. Am Schluss druckt Tangl aus dem von ihm entdeckten Barberinicodex eine
Kanzleiangelegenheiten betreffende Anordnung Bonifaz’ IX.
101 Henry Simonsfeld, Beiträge zum päpstlichen Kanzleiwesen im Mittelalter und zur deutschen Geschichte
im 14. Jahrhundert, in : SB München 2 (1890) 218–284.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien