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72 Andrea Rzihacek und Christoph Egger
dem Allgemeinen Deutschen Schulverein an, der 1881 nach dem Vorbild des österrei-
chischen Deutschen Schulvereines gegründet worden war. Auch diesem Verein gehörten
führende Wissenschaftler und Künstler aller politischer Couleurs an, auch er stand einer
Mitgliedschaft jüdischer Personen positiv gegenüber. Unter dem Vorsitz des aus Inns-
bruck stammenden Anglisten Alois Brandl212 wurde im Jahr 1900 eine neue Reihe, die
„Schriften des Allgemeinen Deutschen Schulvereins“ begründet, die von Michael Tangl
betreut wurde213. Für das publizistische Organ des Vereines für das Deutschtum im Aus-
land verfasste er selbst mehrere Artikel214.
In den Anfangstagen des Ersten Weltkrieges scheint Tangl gegenüber der radikalen
Kriegsbegeisterung gerade in akademischen Kreisen Zurückhaltung geübt zu haben. Den
am 4. Oktober 1914 veröffentlichten, leidenschaftlich-nationalistischen Aufruf „An die
Kulturwelt !“, der von bekannten Personen des Wissenschafts- und Kulturlebens wie Max
Liebermann, Gerhard Hauptmann, Max Reinhardt und Max Planck, aber auch aus dem
Umfeld Tangls wie Alois Brandl unterstützt wurde, unterzeichnete er nicht215. Hingegen
findet sich sein Name in der Liste der zahlreichen Unterfertiger der in weitaus gemäßig-
terem Ton abgefassten, am 23. Oktober 1914 veröffentlichten „Erklärung der Hochschul-
lehrer des Deutschen Reiches“216.
212 Vgl. Weidenfeller, VDA (wie Anm. 209) 271–293. Brandl widmete seiner Tätigkeit für den Verein ein
Kapitel seiner Autobiografie : Alois Brandl, Zwischen Inn und Themse. Lebensbeobachtungen eines Ang-
listen. Alt-Tirol/England/Berlin (Berlin 1936) 271–279.
213 Vgl. Weidenfeller, VDA (wie Anm. 209) 274.
214 Michael Tangl, Ein bedrohtes deutsches Städtchen Kärntens. Bilder aus den nationalen Grenzkriegen in
Österreich, in : Das Deutschtum im Ausland 19 (1900) 19f.; Die Vorgänge an der Innsbrucker Universität,
ebd. 20 (1901) 100 ; Die Suppenvereine an den Alpenschulen Deutschösterreichs, ebd. 23 (1904) Sp. 33f.;
Vom Deutschtum in Kärnten, ebd. 26 (1907) 146f. In diesen Arbeiten tritt Tangl als national gesinnter und
leidenschaftlicher Verfechter der Interessen deutschsprachiger Volksgruppen hervor, der, wenn auch partei-
politisch betont neutral, deren vermeintlichen und von ihm als Bedrohung empfundenen Zurückdrängung
durch anderssprachige (in den konkreten in seinen Artikeln behandelten Fällen besonders der slowenischen
und der italienischen) Volksgruppen entgegentritt. Im Vereinsorgan veröffentlichte er auch Nachrufe auf die
beiden ebenfalls dem Verein angehörenden Historiker Wattenbach (Das Deutschtum im Ausland 20 [1901]
49) und Scheffer-Boichorst (ebd. 21 [1902] 43), den er als politisch neutral, aber „von guter und zuverlässiger
nationaler Gesinnung“ beschreibt.
215 Jürgen Ungern-Sternberg, Wolfgang Ungern-Sternberg, Der Aufruf „An die Kulturwelt !“. Das
Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg (Stuttgart 1996).
216 Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches/Déclaration des professeurs des universités et des
écoles supérieures de l’Empire Allemand : Berlin, den 23. Oktober 1914 (Berlin 1914). Auch, allerdings ohne
Unterschriften und mit Datum 16.10.1914, gedruckt in : Aufrufe und Reden deutscher Professoren im Ers-
ten Weltkrieg, hg. v. Klaus Böhme (Reclams Universal-Bibliothek 9787, Stuttgart 1975) 49f.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien