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88 Peter Herde
vor 700 von Angelsachsen, die bei ihren engen Kontakten mit Rom Handschriften unter
anderem aus der berühmten, von Vivarium in Kalabrien in den Lateran verbrachten Biblio-
thek Cassiodors erhielten und in England kopierten8, nach England und von dort aus zu
einem unbestimmten späteren Zeitpunkt, vielleicht unter Bischof Burkhard, nach Würz-
burg gebracht wurde9. Die Vorgänge vom Sommer 1901 führten jedoch an der Universität
Würzburg ein Jahr später zu einem politischen Eklat und leiteten den Sturz des bayerischen
Kultusministers Robert von Landmann und letztlich auch den des Kabinetts Crailsheim
(1890–1903) ein. Der Hauptakteur war der Historiker Anton Chroust.
III.
Anton Julius Chroust entstammte einer kleinbürgerlichen Handwerkerfamilie10. Sein Va-
ter, Sohn eines Gastwirts, arbeitete als Buchbinder, seine Mutter war die Tochter eines
k.
u. k. Börsenagenten. Der Name „Chroust“ bedeutet in der tschechischen Sprache „Mai-
käfer“, doch bevorzugte Anton Chroust offensichtlich die heute weitgehend gebrauchte
französisierende Aussprache gegenüber der tschechischen mit deutlich ausgesprochenen
ch und ou. In Kollegenkreisen in Würzburg war – das sei nicht verschwiegen – eine auch
schriftlich niedergelegte (absichtliche ?) Fehldeutung als „Mistkäfer“ verbreitet. Nach dem
Besuch des Gymnasiums, „stets von der Gefahr bedroht, aus Mangel an Mitteln das Stu-
dium abbrechen zu müssen“11, studierte er ab 1882 Geschichte und Germanistik in Graz,
ging dann im Oktober 1884 nach Berlin, wo er Schüler von Julius Weizsäcker, aber auch
von Harry Bresslau und Wilhelm Wattenbach wurde ; Weizsäcker regte seine Dissertation
8 Vgl. Wilhelm Levison, England and the Continent in the Eighth Century (Oxford 1947) 132ff.; Elias Avery
Lowe, English Uncial (Oxford 1960) 18 und passim.
9 Vgl. Sims-Williams, Cuthswith (wie Anm. 7) 16 : „[…] reached Germany during the last three quarters of
the eighth century“. Die Handschrift ist die Grundlage der kritischen Edition von Marc Adriaen, in : Cor-
pus christianorum. Series latina 72 (Turnholti 1959) 247ff.
10 Bis heute erschien über Chroust : Carl Erdmann, Einleitung in : Anton Chroust, Aufsätze und Vorträge
zur fränkischen, deutschen und allgemeinen Geschichte (Leipzig 1939) ; Anton Bigelmair, Anton Chroust,
in : ZBLG 15 (1949) 185ff.; ders., Chroust, Anton, Universitätsprofessor 1864–1945, in : Lebensläufe aus
Franken 6, hg. v. Sigmund Freiherr von Pölnitz (Würzburg 1960) 98ff.; Wilhelm Engel, Anton Chroust,
in : NDB 3 (Berlin 1957) 251 ; Walter Höflechner, Alois Kernbauer, Vom Historischen Seminar der
Karl-Franzens-Universität Graz. Eine Dokumentation im Rückblick auf 125 Jahre (Publikationen aus dem
Archiv der Universität Graz 26, Graz 1991) 268ff.; Fritz Fellner, Doris A. Corradini, Österreichische
Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (VKGÖ 99, Wien
2006) 79f.; Ausführlich würdigte Chroust Herde, Äbtissin (wie Anm. *) ; ders., Chroust. (wie Anm. *).
11 Erdmann, Einleitung (wie Anm. 10) V. Während seiner Gymnasialzeit half er im kleinen Laden seines Vaters
aus. Für das Folgende bes. Höflechner, Kernbauer, Historisches Seminar (wie Anm. 10) 268ff.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien