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Anton Chroust (1864–1945) 89
„Die Romfahrt Ludwigs des Bayern 1327–1329“ an, mit der er am 20.
Januar 1886 in Graz
mit Auszeichnung promoviert wurde. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse waren ärmlich,
und nur eine kleine Erbschaft bewahrte ihn vor dem Abbruch des Studiums. 1885–1887
besuchte er als außerordentliches Mitglied den 16. Kurs des IÖG in Wien und erhielt
eine gründliche hilfswissenschaftliche Ausbildung. Zu seinen Kurskollegen zählten Bertold
Bret holz, Wilhelm Erben und Michael Tangl. Am IÖG setzte ihn Theodor Sickel für die
Arbeiten am Liber diurnus ein, doch wandte sich Chroust der Erforschung der Urkunden
der Langobarden zu. Im Sommer 1887 wurde er – das war damals nichts Außergewöhn-
liches – mit seiner Dissertation an der Universität Graz für mittelalterliche Geschichte
habilitiert ; anfängliche Bedenken der Fakultät wegen seines jugendlichen Alters von 23
Jahren konnte er durch gute Leistungen zerstreuen. Das ist das Profil eines jungen, begab-
ten und fleißigen Gelehrten, dessen Venia 1888 aufgrund seiner „Untersuchungen über die
langobardischen Königs- und Herzogsurkunden“ um die historischen Hilfswissenschaften
erweitert wurde12. Aber in Graz gab es für ihn kein Fortkommen. Sein Schüler Carl Erd-
mann und sein Freund, der Theologe Anton Bigelmair, behaupteten später, sicher aufgrund
von Informationen von Chroust selbst, dass dieser in Graz wegen seiner deutschnationalen
Haltung (er war Mitglied im Nationalverein Südmark) am Widerstand der liberalen Regie-
rung gescheitert sei13. Aus den Akten lässt sich diese Behauptung nicht erhärten, doch sind
Universitäten und Ministerien in solchen Dingen bekanntlich sehr vorsichtig. Entschei-
dender dürfte jedoch gewesen sein, dass die Universität Graz um 1890 mit Unterstützung
des als Berater des Ministeriums sehr einflussreichen Wiener klassischen Archäologen Otto
Benndorf die klassischen Altertumswissenschaften stark ausbaute und zudem 1891 eine
Lehrkanzel für Kunstgeschichte eingerichtet wurde, so dass für den sehr jungen Chroust
in Graz kaum Aussichten auf ein Extraordinariat oder Ordinariat bestanden.14 An seiner
nationalistischen Gesinnung, die durch den Besuch der Vorlesungen von Heinrich von
Treitschke in Berlin verstärkt worden sein könnte, bestand freilich kein Zweifel. Seine aus
Triest stammende Frau Johanna (1884–1958), eine Deutsch-Österreicherin, die er am 28.
Dezember 1904 in Innsbruck nach Genehmigung durch das Ministerium heiratete15, war
12 Vgl. Leo Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung. Festgabe zur Feier des zwei-
hundertjährigen Bestandes des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Veröff. des IÖG 11, Wien 1950) 112f.;
Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. *) 187–192 ; Walter Höflechner, Die Vertretung der histo-
risch-mediävistischen Hilfswissenschaften an der Universität Graz, ZHVSt 70 (1979) 34ff. Die Angaben bei
Erdmann, Einleitung (wie Anm. 10) V sind zu berichtigen.
13 Erdmann, Einleitung (wie Anm. 10) VI ; Bigelmair, Lebensläufe (wie Anm. 10) 100 ; Bigelmair,
Chroust (wie Anm. 10) 186.
14 So nach freundlicher brieflicher Auskunft von Walter Höflechner (Graz) vom 24.10.1991.
15 Die entsprechenden Akten im Personalakt Chroust UAWb, ARS. Am 25.12.1905 wurde die Tochter Karoline
Anna, am 28.01.1907 der Sohn Anton Hermann Karl geboren (ebd.).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien