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Anton Chroust (1864–1945) 91
ist er ein ausgezeichneter Mediävist geblieben. Bei der Historischen Kommission erwarte-
ten ihn freilich andere Aufgaben : die Mitarbeit an der Edition der Wittelsbacher Korre-
spondenz in den „Briefen und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ ; 1903
publizierte er den neunten Band in dieser Reihe : „Vom Einfall des Passauer Kriegsvolks
bis zum Nürnberger Kurfürstentag“18 ; 1906 erschien sein Band „Der Ausgang der Regie-
rung Rudolfs II. und die Anfänge des Kaisers Mathias“19, 1909 der Band : „Der Reichstag
von 1613“20, umrahmt von zahlreichen Aufsätzen. Später kamen grundlegende Aktenaus-
gaben und Darstellungen zur Geschichte des 19. Jahrhunderts hinzu, so vor allem über
das Großherzogtum Würzburg21 und die vielbändige Ausgabe der Gesandtschaftsberichte
aus München 1814–184822, nicht zu vergessen die Geschichte des fränkischen Kreises23.
Chroust wurde also ein echter Professor für Mittlere und Neuere Geschichte und gehört
zweifellos zu den bedeutenderen deutschen bzw. österreichischen Historikern der ersten
Jahrhunderthälfte.
Die Münchner Atmosphäre, die Ballung junger Nachwuchstalente und die sich da-
raus ergebenden Eifersüchteleien, Rivalitäten und Intrigen waren seit jeher kein günsti-
ger Nährboden für aufstrebende Historiker. Chroust wurde bereits 1894 in die schweren
Auseinandersetzungen zwischen Felix Stieve, dem er seine Stelle zu verdanken hatte, und
Moritz Ritter hineingezogen24. Die fast täglichen Treffen der Mitarbeiter der Kommis-
sion, neben Chroust Walter Goetz, Karl Brandi, Albert Stauffer und Karl Mayr, im Café
Heck und die historischen und politischen Diskussionen konnten über Rivalitäten nicht
hinwegtäuschen, über die im Nachlass von Goetz viele Details berichtet werden25. Als
18 Anton Chroust, Der Einfall des Passauer Kriegsvolks bis zum Nürnberger Kurfürstentag (Briefe und Akten
zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges 9, München 1903).
19 Anton Chroust, Der Ausgang der Regierung Rudolfs II. und die Anfänge des Kaisers Mathias (Briefe und
Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges 10, München 1906).
20 Anton Chroust, Der Reichstag von 1613 (Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges 11,
München 1909).
21 Anton Chroust, Geschichte des Großherzogtums Würzburg (1806–1814). Die äußere Politik des Großher-
zogtums (Veröff. der Gesellschaft für fränkische Geschichte 9/1, Würzburg 1932).
22 Anton Chroust, Gesandtschaftsberichte aus München 1814–1848, I 1–6. Die Berichte der französischen
Gesandten (München 1935–37) ; II 1–4. Die Berichte der österreichischen Gesandten (München 1939–42) ;
III 1–5. Die Berichte der preußischen Gesandten (München 1949–51).
23 Anton Chroust, Geschichte des fränkischen Kreises, Darstellung und Akten 1 (Leipzig 1910).
24 Die betreffenden Korrespondenzen aus dem Archiv der Historischen Kommission hat mir Herr Kollege Eber-
hard Weis (München) zur Verfügung gestellt. Felix Stieve widmete Chroust sein erstes in München entstan-
denes Werk : Felix Stieve, Abraham von Dohna. Sein Leben und sein Gedicht auf den Reichstag von 1613
(München 1896).
25 Ausgewertet von Wolf Volker Weigand, Walter Wilhelm Goetz 1867–1958. Eine biographische Studie über
den Historiker, Politiker und Publizisten (Schriften des Bundesarchivs 40, Boppard a. Rhein 1992). Ich bin
Helmuth Goetz zum Dank für die Genehmigung zur Benutzung des Nachlasses verpflichtet.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien