Seite - 93 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Bild der Seite - 93 -
Text der Seite - 93 -
Anton Chroust (1864–1945) 93
iert, das er mit dem Münchner Bibliothekar Hans Schnorr von Carolsfeld ab Ostern 1898
beim Münchner Verlag Bruckmann herauszugeben beabsichtigte. Am 21. Dezember 1897
wandte er sich in dieser Sache an das bayerische Kultusministerium und bat um umfang-
reiche Ausnahmegenehmigungen bei der Benutzung bayerischer Bibliotheken31. Seine
Forderungen wurden vom Direktor der kgl. Hof- und Staatsbibliothek mit Schreiben
vom 30. Januar 1898 an das Kultusministerium als maßlos in scharfer Form zurückge-
wiesen32. Chroust, so heißt es darin, wünsche, ich möchte fast sagen, Befugnisse eines Dik-
tators, gegen welche die betroffenen Biblibotheksvorstände […] wenig mehr zu sagen hätten.
Der Direktor der Münchner Staatsbibliothek stieß sich an Chrousts Bitte, ihm im weitest
zulässigen Maße entgegenzukommen. […] Als ob das nicht jede der genannten Bibliotheken
von selbst thun würde […]. Denn alle meine Kollegen in Bayern sind hierin so liberal wie ich
und werden gewiß auch diesem schönen Unternehmen gegenüber so entgegenkommend sein als
sie können und mit ihren Pflichten und ihrem Gewissen für vereinbar halten. Chroust aber
würde Unbilliges und Unerfüllbares verlangen und sich selbst als Richter aufwerfen, was er
verlangen kann und was man ihm zu gewähren hat.
Chroust hatte sich offensichtlich, seinem, wie der Brief zeigt, bereits damals fest eta-
blierten Ruf als Streithahn entsprechend, wie ein Elefant im Porzellanladen benommen
und ohne diplomatisches Geschick zu hohe Forderungen gestellt, die gewiss zur Erleich-
terung und Beschleunigung seiner Arbeiten geeignet waren, bei den hohen Herren der
Staatsbibliothek, die ohnehin in einem von Eifersüchteleien nicht freien Verhältnis zum
Lehrkörper der Universität standen, auf Ablehnung stoßen mussten, zumal der Antrag-
steller ein machtloser Privatdozent war und er erst im Laufe der ersten Runde dieser
Auseinandersetzungen als Extraordinarius nach Würzburg berufen wurde. Das Kultusmi-
nisterium behandelte den Fall emotionslos und wies am 10. Februar 1898 die Senate der
Universitäten München, Würzburg und Erlangen an33, dass gemäß dem Antrag Chrousts
die Benützung der Handschriften zu diesem Zweck insoweit zu gestatten sein wird, als dies
mit den bestehenden Grundsätzen und Vorschriften über die Benützung und Versendung von
Handschriften sich vereinbaren läßt.
Chroust hat als Zweck des Werkes hervorgehoben, es solle der theoretischen Erforschung
der Geschichte der Schrift sowie dem praktischen Unterricht in der Paläographie dienen34.
Freilich war die Ausstattung der im Lichtdruckverfahren ausgeführten Lieferungen – die
erste erschien bereits 1899 – viel zu aufwendig und viel zu teuer, als dass der zweite Teil
31 Die folgenden Ausführungen beruhen auf dem Akt BHStAM, MK 14244 : Denkmäler der Schreibkunst des
Mittelalters, Monumenta palaeographica, von Prof. Dr. Chroust.
32 Ebd.
33 Ebd.
34 So in seinem Schreiben an das Kultusministerium vom 21.12.1897, ebd.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien