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Anton Chroust (1864–1945) 97
verweist Grauert auf den entscheidenden methodischen Mangel des Werkes : genaue For-
schungen, wie sie Traube über die Schriftenentwicklung vom Altertum zum Mittelal-
ter geboten habe, lassen sich in dem Werk, das ein ganzes Jahrtausend umfasst, nicht
durchführen. Die Schreibschulen könnten hier nicht bis in alle Verästelungen untersucht
werden. In der Tat beruht das Konzept Chrousts angesichts der von Traube begonnenen,
später vor allem von Elias Avery Lowe und Bernhard Bischoff fortgesetzten verfeinerten
Skriptorien-Forschung, die bis heute freilich kaum wesentlich über das 9. Jahrhundert
hinausreicht, auf einer viel zu groben und undifferenzierten Vorstellung von Schreibschu-
len. Resümierend hält Grauert die Monumenta Palaeographica dennoch für bedeutend
und förderungswürdig. Da sie bereits von der Kaiserlichen Akademie in Wien bezuschusst
worden seien, empfiehlt er einen Zuschuss von 18.000 Mark, eventuell höher, weist aber
noch einmal darauf hin, dass das Werk für Süddeutschland ergänzt, für Nord-, West- und
Ostdeutschland fortgeführt werden solle.
Das Akademiegutachten schließt sich dem Gutachten Grauerts an, befürwortet sogar
einen viel höheren Reichszuschuss von 30.000 Mark. Es empfiehlt die Berufung eines Bei-
rats von höchstens zehn Mitgliedern, der aber nicht, wie Grauert vorschlägt, ausschließ-
lich aus Universitätslehrern, sondern auch aus Archivaren bestehen solle. Chroust solle
mehr wissenschaftliche Hilfskräfte erhalten und der Preis solle so gestaltet werden, dass
das Werk auch für breite Kreise erschwinglich würde. Das Letztere war nicht mehr als
ein frommer Wunsch. Immerhin wird man den Gutachtern und der Akademie zugeste-
hen müssen, trotz aller berechtigten Bedenken den Antrag Chrousts und des Verlags fair
behandelt und die Fortführung des Unternehmens damit gesichert zu haben. Am 3. Mai
190646 schrieb das Kultusministerium an das Staatsministerium des kgl. Hauses und des
Äußeren und befürwortete auf der Basis der von der Akademie eingereichten Gutachten
einen entsprechenden Reichszuschuss. Das Schreiben enthält eine kurze Schilderung des
Werdegangs Chrousts und hebt dabei besonders hervor, dass er sich um das Zustandekom-
men der im vorigen Jahre gegründeten Gesellschaft für fränkische Geschichte sehr verdient ge-
macht habe, deren geschäftsführender Sekretär er sei47. Es dauerte einige Zeit, bis sich mit
Schreiben vom 4. Februar 1907 das Reichsamt des Inneren bereit erklärte, einen auf acht
Rechnungsjahre zu verteilenden Reichszuschuss von 10.000 Mark zu gewähren48. Die
46 Wie Anm. 31.
47 Die Gesellschaft für fränkische Geschichte wurde am 17.12.1904 in Nürnberg auf einer von Chroust und Se-
bastian Göbel, Reichsarchivrat und Vorstand des Kreisarchivs Würzburg, zusammengerufenen Versammlung
gegründet ; vgl. Erster Jahresbericht der Gesellschaft für fränkische Geschichte für das Jahr 1905 (Würzburg
1906). Vgl. dazu : Dokumente zur Geschichte der Gesellschaft für fränkische Geschichte und ihres Umfeldes
1905–1961, hg. v. Alfred Wendehorst (Veröff. der Gesellschaft für fränkische Geschichte XIII/48, Stegau-
rach 22010) 13ff., Nr. 1ff..
48 Wie Anm. 31.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien