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104 Peter Herde
die Frage zu würdigen ist, ob Chroust zu befördern sei oder nicht. Entsprechende Mittel seien
beantragt worden, doch dann sei es zum Streit zwischen Chroust und Förster gekommen.
Sowohl die Universität als auch das Ministerium hatten guten Grund, neben der durch
das Ordinariat von Henner vertretenen Landesgeschichte auch die Neuere Geschichte
durch ein Ordinariat vertreten sehen zu wollen.
Um Chroust das Wasser abzugraben und „Argumente“ gegen seine Beförderung zu
finden, war es nach dem ersten Antrag auf Ernennung zur Ordinarius von 1899 zu einem
Possenspiel gekommen ; von den unmittelbarsten Kollegen Chrousts war hierbei, wie be-
merkt, der Althistoriker Wilcken führend, der als Dekan und Mitglied des Senats noch
eine unrühmliche Rolle spielen sollte. Da bei Beförderungen die Anciennität von Bedeu-
tung war und Chroust hier in der Reihe der dazu anstehenden Extraordinarien an erster
Stelle stand, musste das geändert werden69. Bis dahin galt das Datum der Ernennung als
außerordentlicher Professor in Würzburg als Kriterium für die Reihenfolge. Hierbei ge-
bührte Chroust (1. April 1898) vor Förster (1. Oktober 1898) und dem Geografen Regel
(1. April 1899) der Vorzug. Und hier schlugen seine Gegner auch zuerst zu. Am 1. De-
zember 1900 beschloss der Senat, dass Dienstzeiten als Extraordinarius vor der Berufung
nach Würzburg bei der Reihenfolge der Aufführung im Vorlesungsverzeichnis anzurech-
nen seien, und plötzlich stand Chroust unter den drei Anwärtern an letzter Stelle. Förster
war bereits am 1. März 1897 in Bonn zum außerordentlichen Professor ernannt worden70
und damit mehr als ein Jahr dienstälter als Chroust. Das war nach Ansicht der Juristen
des Kultusministeriums nicht rechtens, da es dem damaligen Usus nicht entsprach und
das Ministerium darüber nicht informiert wurde71. Aber das war auch erst der Anfang. Als
im Februar 1901 Stölzle, Henner und Unger den Antrag auf Beförderung Chrousts erneut
in der Fakultät einbrachten, wurde zunächst eine Kommission eingesetzt, die darüber
beraten sollte ; ihr gehörten neben Henner die beiden Intimfeinde Chrousts Wilcken und
der Germanist Oskar Brenner an. Die beiden Letzteren waren entschieden gegen seine
Ernennung zum Ordinarius, und ihnen schloss sich am 20. Mai 1901 die neue Mehrheit
in der Fakultät an ; es wurde auch abgelehnt, den Antrag an den Senat weiterzuleiten. In
diesem Beratungsstadium war jedoch etwas geschehen, was die Mehrheit der Fakultät
und des Senats später herunterzuspielen versuchte, was vom Ministerium jedoch aufs
69 Die folgenden Angaben nach der Promemoria des bayerischen Kultusministeriums vom 29.07.1902 an von
Crailsheim (wie Anm. 62). Nach Chroust (Schreiben an das Ministerium vom 09.12.1901, UAWb, ARS Nr.
1622) hatte Förster seine Höherstufung bereits eigenmächtig bei der Korrektur des Vorlesungsverzeichnisses
des WS 1901/02 im Sommer 1901 vorgenommen, was er zunächst als „harmlose Eitelkeit“ nicht beanstandet
habe.
70 Mitteilung des Senats an das Kultusministerium vom 13.12.1902, MK 11364. Vielfach finden sich dieselben
Schreiben (jeweils als Original, Abschrift oder Entwurf) auch in UAWb, ARS Nr. 1621, 1623.
71 So in der Promemoria wie Anm. 66.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien