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Anton Chroust (1864–1945) 111
demütigen, was Crailsheim dann aber doch zu weit ging90. Bei den Verhandlungen des
Gesetzes in den Ausschüssen und im Plenum der Deputiertenkammer hatte Landmann,
wie ihm u.a Crailsheims vorwarf, die liberalen Interessen zu wenig gewahrt, hatte dann
aber nach Intervention der Krone über den Staatsrat am 10. März 1902 in umstrittenen
Punkten vor dem Landtag nachgegeben, was zunächst seinen Sturz verhinderte91. Da bot
sich nun den enttäuschten Liberalen der Würzburger Professorenstreit als willkommene
Gelegenheit an, den Kampf gegen den missliebigen Kultusminister wieder aufzunehmen,
und sie fanden dabei willige Bundesgenossen unter den dortigen Professoren, die nun
plötzlich in die Lage versetzt wurden, in einer, wie sie glaubten, ihr Image fördernden
Weise in die hohe Politik eingreifen zu können. Sie bedienten sich dabei der liberalen
Politiker und der Presse ; vertrauliche Schreiben wurden heimlich den Zeitungen zuge-
spielt, die Verantwortlichen in der zweiten Jahreshälfte nach wochenlangen Untersuchun-
gen natürlich nie ermittelt, denn was konnte nicht alles im Umlaufverfahren geschehen.
Diese „Instrumentalisierung“ des Streits führte nun dazu, dass sich am 26. Juni 1902
das Plenum der Kammer der Abgeordneten in seiner 337. öffentlichen Sitzung ausführ-
lich mit dem Streit Chroust gegen Förster befasste92. Das Zentrum hatte allen Grund
zur Euphorie, eignete sich der „Fall Chroust“ doch eigentlich gar nicht zur Verteidigung
hehrer liberale Ideen, sondern er setzte das Zentrum vielmehr in die Lage, sich seinerseits
zum Verteidiger der Wissenschaftsfreiheit aufzuschwingen. Bei der Debatte des Etatansat-
zes zur Umwandlung einer außerordentlichen Professur in der Philosophischen Fakultät
Würzburg in eine ordentliche (1380 M), die vom Finanzausschuss gebilligt worden war,
schilderte der Berichterstatter Schädler vom Zentrum unter ausführlichen Zitaten aus
dem Brief Brenners an Luick den Verlauf des Streits und die, wie er es nennt, Konfessions-
schnüffelei. Professor Chroust erklärte rund und nett, er sei liberal. Wir haben keinen Grund
[…] vom politischen Standpunkt aus für ihn einzutreten ; denn er gehört ja politisch nicht
zu uns. Schädler glaubte, dass die großen Worte von der Freiheit der Wissenschaft und der
Voraussetzungslosigkeit gefährdet sind durch die Art und Weise, wie hier vorgegangen wurde.
Chroust habe sich suspekt gemacht, als er in einem Vortrag über Ignatius von Loyola
nicht blos lauter Worte der Verdammung gefunden hat, und dieß genügte, um ihn in den
Augen der voraussetzungslosen Professoren der Fakultät Würzburg als nicht geeignet für einen
Lehrstuhl der Geschichte hinzustellen. Schädler betonte weiter, dass in Würzburg gerade in
diesen Kreisen (der Professoren) eine krasse Intoleranz herrsche. Man habe den liberalen
Chroust nicht vorgeschlagen, weil an der Würzburger philosophischen Fakultät nur dieje-
90 Ebd.
91 Ebd. 521.
92 Gedruckt in : Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten 9
935ff. Nr. 337 (337. öffentliche Sitzung).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien