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Anton Chroust (1864–1945) 119
öffentlicht wurde. Gegen diese seiner Ansicht nach grobe Indiskretion legte Chroust am
8. Dezember 1902 Beschwerde beim Ministerium ein123. Dem Rektor war dieser erneute
Bruch der Verpflichtung zur Vertraulichkeit durch einen oder mehrere Unbekannte natür-
lich sehr unangenehm. In einem Schreiben vom 13. Dezember 1902 missbilligte er nach
Beratungen im Senat auch aufs Schärfste die Weitergabe der Ministerialentschließung an
die Presse, glaubte aber, Grund für die Annahme zu haben, die undichte Stelle sei nicht in
der Universität zu suchen. Weder der Syndikus noch die Kanzlisten oder der Pedell hätten
das im Umlaufverfahren in geschlossenen Kuverts den Mitgliedern des Senats bekannt
gemachte Schreiben an die Presse weitergeleitet, und die Senatoren beteuerten, sie hätten
keine Abschrift davon genommen und den Text auch nicht an die Presse gegeben124. Der
Altphilologe Martin von Schanz begnügte sich jedoch mit einer wenig aussagekräftigen
Bleistiftnotiz, was vom Ministerium am 16. Dezember 1902 gerügt wurde, das eine aus-
führliche Darstellung anforderte, die der Rektor am 20. Dezember nach München sandte.
Darin bekräftigte Schanz erwartungsgemäß seine Unschuld, und Wilcken sowei zwei
weitere Lehrende schlossen sich in weiteren Erklärungen an125 ; der Letztere hatte freilich
schriftlich erklärt : Im Interesse der Wahrheit ist die unerlaubte Publikation jedenfalls nicht zu
bedauern, und mit Unterstützung anderer Senatsmitglieder durchgesetzt, dass ein entspre-
chender Passus im Entwurf einer Antwort des Rektors vom 3. Dezember auf die Beanstan-
dung der Veröffentlichung durch das Ministerium gestrichen wurde126. Außerdem hatte
Förster erklärt, er setze es als selbstverständlich voraus, die ihn reinigenden Erklärungen
des hohen Staatsministeriums auch zur Kenntnis weiterer Kreise zu bringen, dass er jedoch
mit seiner Erklärung keine Mitteilung an die Presse im Auge habe127. Immerhin wurde, da
er Leutnant der Reserve war, zu seiner Exkulpation das Ministerialschreiben vom 12. No-
vember auf dem Dienstwege an das Bezirkskommando Hanau gesandt. Damit wurde zu
guter Letzt auch das bayerische Kriegsministerium mit dem Würzburger Professorenstreit
befasst. Mit Schreiben vom 26. Januar 1903 an das Kultusministerium teilte es mit, dass
in Hanau sicher keine Abschrift gemacht und an die Presse weitergegeben worden sei128.
Damit verliefen wie zuvor im August und September alle Untersuchungen im Sande, und
auch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in dieser Sache wurde Ende De-
zember 1902 eingestellt129. Am 15. Dezember 1902 berichtete Chroust dem Kultusminis-
123 Ebd.
124 Ebd.
125 Ebd.
126 UAWb, ARS Nr. 1623. Dort auch betreffende KMS vom 08.12.1902 und weitere Schreiben zur Frage der
Anciennität.
127 Schreiben des Senats an das Ministerium vom 15.11.1902, UAWb, ARS Nr. 1623.
128 BHStAM, MK 11364f.
129 Ebd.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien