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Anton Chroust (1864–1945) 121
V.
Nach den turbulenten Ereignissen des Jahres 1902 blieben Anton Chroust noch 43 Jahre
bedeutender wissenschaftlicher Tätigkeit : als Mitbegründer und Leiter der Gesellschaft
für fränkische Geschichte, als erfolgreicher akademischer Lehrer und fruchtbarer For-
scher, Jahre freilich auch, die begleitet waren von Streitigkeiten und Prozessen. Im Grunde
war die Atmosphäre in der Philosophischen Fakultät seit 1902, was seine Person betraf,
für lange Zeit vergiftet. Auch die Folgezeit war angefüllt mit Auseinandersetzungen, in
die teilweise wiederum das Kultusministerium eingeschaltet wurde, so 1903 erneut mit
Brenner, 1907/08 mit dem Althistoriker Julius Kaerst, dem Nachfolger Wilckens, wobei
Chroust die Trennung der beiden Abteilungen des Historischen Seminars, der für Alte
Geschichte von der für Mittlere und Neuere Geschichte, anstrebte135.
Gleich darauf begann der jahrzehntelange Streit mit dem österreichischen Geistli-
chen Franz Joseph Bendel, den Chroust 1907 als Bearbeiter des Urkundenbuchs von St.
Stephan in Würzburg für die Gesellschaft für fränkische Geschichte gewonnen hatte,
dem er dann jedoch die Habilitation verweigerte und den er 1910 fristlos entließ, was
zu langen Prozessen führte136. In den späten 1930er-Jahren folgte eine schwere Ausein-
andersetzung mit dem Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns Otto Riedner,
der 1938 zum Austritt von sieben Archivbeamten aus der Gesellschaft führte und mög-
licherweise die von Chroust entschieden geforderte Rückführung der zu Anfang des 19.
Jahrhunderts nach München verbrachten Würzburger Urkunden vor 1400 verhinderte
(sie erfolgte erst 1993)137. Aber das waren im Grunde Nebensächlichkeiten, die nicht
Weltkrieges (1871–1918), in : Handbuch der bayerischen Geschichte 4/1, beg. v. Max Spindler, hg. v.
Alois Schmid (22003) 404.
135 1903 : UAWb, ARS Nr. 1624 (wieder ging die Sache vor das Ministerium). – 1907/08 : Die Korrespon-
denz mit dem Ministerium darüber in BHStAM, MK 11364f. Weitere Akten über die Auseinandersetzung
Chrousts mit den Kollegen, wobei er teilweise entlastet wurde, im PA Chroust UAWb, ARS. In einem Be-
richt vom 28.02.1907 an den Rektor der Universität versuchten seine Gegner, darunter Brenner, Külpe und
Förster, die alten Streitigkeiten von 1901/02 wieder aufzugreifen. Auseinandersetzungen mit Fritz Regel we-
gen einer Dissertation in historischer Geografie, die Chroust (zu Recht) kritisierte, im Jahre 1908 : UAWb,
ARS Nr. 1625.
136 Die Akten des Prozesses Bendel gegen die Gesellschaft für fränkische Geschichte im NL Bendel im Archiv des
bischöflichen Ordinariats Würzburg, Kasten 10.
137 Am 02.03.1938 traten die sieben Wahlmitglieder, die Beamte der staatlichen Archive Bayerns waren, aus Pro-
test gegen eine angebliche Beleidigung des Generaldirektors Riedner durch Chroust aus der Gesellschaft für
fränkische Geschichte aus, siehe Dokumente (wie Anm. 47) 231ff., Nr. 97ff. Ein juristisches Gutachten vom
19.05.1938 entlastet jedoch Chroust von dem Vorwurf der Beleidigung. Betreffende Akten im Staatsarchiv
Würzburg, Schönbornsches Archiv Wiesentheid, Repon. Akten, Allgemeine Betreffe Nr. 181. An Chrousts
Auseinandersetzungen mit Riedner könnte auch eine frühere Rückgabe der Würzburger Urkunden vor 1400
an das Staatsarchiv Würzburg, die 1933 erfolgte, gescheitert sein ; vgl. Hermann Hoffmann, Die Ge-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien