Seite - 143 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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Arthur Stein (1871–1950) und Edmund Groag (1873−1945) 143
schek98 an. Trotz des positiven Gutachtens lehnte die Fakultät das Gesuch ab99. Der
Vorgang wirft ein bezeichnendes Licht auf die Kräfte, die zu diesem Zeitpunkt an
der Philosophischen Fakultät (wohl exemplarisch für die gesamte Deutsche Universi-
tät) mit wechselndem Erfolg einander widersprachen. Am 10. November 1933 wurde
Stein zum Tätigen Mitglied des Orientalischen Instituts in Prag gewählt.
Im September 1938 wurde Stein mit der Leitung des Dekanats der Philosophischen
Fakultät betraut, da sowohl der scheidende Dekan Heinz Zatschek100 als auch der an-
tretende Dekan Karl Maria Swoboda101 nicht in Prag anwesend waren. Beide gehör-
ten zu jenen 47 (von 105) Prager deutschen Universitätsprofessoren, die als überzeugte
„Sudetendeutsche“ und teilweise auch schon als Nationalsozialisten – wohl aus Furcht
vor Repressalien – während der Hochphase der „Sudetenkrise“ die tschechoslowakische
Hauptstadt Prag verlassen hatten, um ins „Großdeutsche Reich“ zu „flüchten“102. Dass
sich Stein als Professor jüdischer Herkunft nicht den „Flüchtlingen“ anschloss, ist völ-
lig verständlich. Überraschend ist aber, dass er die Fakultätsleitung übernahm und da-
mit in gewisser Weise seinen abwesenden Kollegen den Rücken frei hielt. Man kann nur
vermuten, dass er seinem Pflichtbewusstsein als Beamter und seiner deutschnationalen
Einstellung folgte. Wenige Monate später, am 17. Dezember, teilte eben Swoboda als
Dekan brieflich dem Professorenkollegium der Philosophischen Fakultät mit, dass sich die
Herren Prof. Dr. Arthur Stein und Prof. Dr. Victor Ehrenberg entschlossen haben, in diesem
Semester ihre Vorlesungstätigkeit nicht mehr auszuüben. In einer Abstimmung folgten die
Professoren dem Antrag Swobodas, den Archäologen Alois Gotsmich103 mit der alleini-
gen Direktion des Archäologisch-althistorischen Seminars zu betrauen104. Die Vorgänge
sind innerhalb der nach dem Münchener Diktat vom Herbst 1938 intensiv und freiwillig
von den („arischen“) Universitätsmitgliedern betriebenen „Gleichschaltung“ bzw. „Ari-
sierung“ der Deutschen Universität in Prag zu platzieren105. Die jüdischen Professoren
98 Zu ihm Karel Hruza, Heinz Zatschek (1901–1965) – „Radikales Ordnungsdenken“ und „gründliche, ziel-
gesteuerte Forschungsarbeit“, in : Österreichische Historiker (wie Anm. 32) 677–792.
99 Siehe Oberkofler, Käthe Spiegel (wie Anm. 94) 68–70 und 114–119 (Gutachten).
100 Siehe Hruza, Zatschek (wie Anm. 98) 708.
101 Zu ihm Sigrid Canz, Karl Maria Swoboda (1889–1977) Kunsthistoriker. Wissenschaftler zwischen Wien und
Prag, in : Prager Professoren (wie Anm. 60) 175–190, und der Beitrag von Alena Janatková in diesem Band.
102 Zu diesen Ereignissen Alena Mišková, Deutsche Professoren aus den böhmischen Ländern. „Flüchtlinge“ in
der Zeit vor und nach den Münchner Verhandlungen, in : Prager Professoren (wie Anm. 60) 27−43.
103 Zu ihm Wolfgang Schiering in : Archäologenbildnisse (wie Anm. 30) 266f.
104 AUP.
105 Dazu siehe Alena Míšková, Die „Arisierung“ an der Deutschen Universität Prag, in : Wissenschaft in den
böhmischen Ländern 1939–1945, hg. v. Antonín Kostlán (Praha 2004) 97–106, hier 104–106, sowie
dies., Die Deutsche (Karls-) Universität vom Münchener Abkommen bis zum Ende des Zweiten Weltkrie-
ges (Universitätsleitung und Wandel des Professorenkollegiums) (Prag 2007) 58–76, 285–291, bes. 290.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien