Seite - 147 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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Arthur Stein (1871–1950) und Edmund Groag (1873−1945) 147
Besuch in Rom – 22 Jahre später ! – nun selbst als Leiter einer Schulklasse vor ähnlichen
Aufgaben stehend, noch davon zehrte.“115
Von Steins Wirken in der Fakultät und an der Universität abgesehen, darf man in ihm
aber wohl eher einen typischen Vertreter der apolitischen Professoren vermuten. Auch für
einen intensiveren Kontakt zur kulturell damals in der Stadt an der Moldau so reichen
Szene fehlen konkrete Hinweise. Gleiches scheint auch cum grano salis (auf den kulturel-
len Hintergrund im Leben Groags, den die Familie seiner Mutter gebildet haben dürfte,
ist bereits hingewiesen worden) für Groag zu gelten. Dieser habilitierte sich 1918 mit
der in Linz gedruckten Schrift „Studien zur römischen Kaisergeschichte“. Am 5. März
1919 hielt er seinen Probevortrag über „Die Zusammensetzung des Senats in der Zeit des
Prinzipats“ und wurde wenige Wochen später vom Ministerium als Privatdozent bestä-
tigt. Seit dem 9. April 1921 war Groag Leiter der Katalogisierungsabteilung der Druck-
schriftensammlung116. 1923 wurde aus der Hof- die Nationalbibliothek in Wien, deren
neuer Direktor Josef Bick an die Stelle des pensionierten Othmar Doublier117 Groag zum
provisorischen Leiter der Druckschriftensammlung machte118. Bei den gegensätzlichen
Charakteren beider war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es zum offenen Konflikt
zwischen dem 1925 zum Oberstaatsbibliothekar ernannten Groag und Bick – seit 1926
Generaldirektor der Bibliothek – kam. Der Konflikt brach 1930 offen aus und endete
mit der Absetzung Groags als Leiter der Druckschriftensammlung am 3. Juli 1931119. Er
sollte stattdessen einen Katalog der Rara, Unica und Luxusdrucke der Sammlung herstel-
len120. Gegen diese völlige Kaltstellung waren die Einsprüche Groags beim Ministerium
115 Zitiert aus einem von Bassler verfassten Gedenkblatt anlässlich des 100. Geburtstages von Stein, dessen
Kenntnis ich Martin Sicherl, einem weiteren Schüler Steins aus dieser Zeit, verdanke : Sicherl (1914−2009)
hatte nach einer Dissertation zu den griechischen Zauberpapyri (Prag 1937) auf Empfehlung Steins das itali-
enische Reisestipendium erhalten (briefliche Mitteilung).
116 Dazu und zu dem Folgenden vgl. Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek 1 : Die Hofbibliothek
(1368–1922), hg. v. Josef Stummvoll (Wien 1968), 2 : Die Nationalbibliothek 1923−1967, hg. v. Josef
Stummvoll, Rudolf Fiedler (Wien 1973). Zu Groag als Leiter der Katalogisierung ebd. 1 589.
117 Er nahm hochbetagt 1945 an der Beerdigung Groags teil, siehe unten.
118 Siehe dazu Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek 2 (wie Anm. 116) 32 : „Obwohl Groag […]
zumindest seit den Promemoria von 1919 zu Bick in Opposition stand, ernannte ihn dieser dennoch […]
zum provis. Leiter (NB 50 u. 1145/1923). Groag, u.a. Professor für Alte Geschichte an der Universität, der
nur seinen Studien über römische Epigraphik lebte, war ein stiller, weltfremder Gelehrter, der sich bei den
Beamten der Sammlung nicht durchsetzen konnte und Wachs in den Händen härterer Charaktere war. Er
lehnte alle Reformen, die die Zeit erforderlich machte, grundsätzlich ab. Bicks vitale Durchschlagskraft und
Energie waren ihm verhasst, und er trat allen Plänen einer Neugestaltung der Palatina zu einer modernen
Gebrauchsbibliothek mit offener und versteckter Ablehnung entgegen.“
119 Dementsprechend fehlt Groag auf dem Geburtstagsfoto zu Bicks 50. Geburtstag, siehe Geschichte der Öster-
reichischen Nationalbibliothek 2 (wie Anm. 116) Abb. 3.
120 Diese Anordnung Bicks (NB 1336/1931) ist abgedruckt ebd. 84.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien