Seite - 153 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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Arthur Stein (1871–1950) und Edmund Groag (1873−1945) 153
Motiven für Stein gehandelt hat153, denn
Zynismus als Motiv hätte ihn wohl kaum
angetrieben, seinen Brief zu verfassen.
Möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich
ist zudem auch, dass sich Stein um Hilfe
bittend an seinen alten Freund gewandt
hat154.
In Theresienstadt wurde das Ehepaar
Stein wie im Übrigen auch das Ehepaar
Utitz von der SS registriert und später den
bevorzugten „Prominenten A“ zugeteilt155,
von denen sich das „Prominentenalbum“
(1943/44) mit biografischen Skizzen und
Fotografien, so auch von Arthur Stein und
Emil Utitz, erhalten hat156. Die Zuweisung
153 Einer Interpretation seines Briefes bietet Míšková, Deutsche (Karls-) Universität (wie Anm. 105) 68 : „Es
ist schwer zu sagen, ob man einen derartigen Brief als zynisch oder als Hilfsbemühung für einen bedrohten
Kollegen verstehen soll. Welcher Art jedoch die Beweggründe des Schreibers gewesen sein mögen ; es scheint,
dass sie Arthur Stein wenigstens zur Stellung eines ‚Theresienstädter Prominenten‘ verhalfen und ihm viel-
leicht auch das Überleben ermöglichten.“ Ähnlich dies., „Arisierung“ (wie Anm. 105) 100.
154 Ebd. 100 und bei ders., Deutsche (Karls-) Universität (wie Anm. 105) 69, wird angeführt, dass sich Stein
im Frühjahr 1941 – also bereits vor dem Einsetzen der Deportationsmaßnahmen, bei den tschechischen
Protektoratsbehörden erfolglos bemüht hat, von antijüdischen Maßnahmen ausgenommen zu werden.
155 Dazu Adler, Theresienstadt (wie Anm. 151) 310f.: „Eine eigenartige Gruppe waren die ‚Prominenten‘,
ein Begriff, den die SS im Herbst 1942 eingeführt hatte. Man unterschied zwei Untergruppen, A und B. ‚A
prominent‘ waren Personen, die dem Judenältesten von der SS bezeichnet wurden. Teils waren es Menschen
von internationalem Namen oder deutsche und österreichische Offiziere […]. Der Ältestenrat konnte von
sich aus ‚Prominente‘ vorschlagen, die, falls bestätigt, ‚B prominent‘ hießen. […] Die ‚Prominenz‘ bezog
sich auch auf die Familienmitglieder. Im Jahre 1944 lebten 114 ‚Prominente‘ mit 85 Angehörigen im Lager.
[…] Die Vorrechte bestanden in besseren Unterkünften (möglichst familienweise in einem Zimmer), Schutz
vor Deportation (den die SS in einigen Fällen entzog) und Befreiung von der Arbeitspflicht, worauf manche
verzichteten. ‚A-Prominente‘ genossen außerdem häufigeres Schreibrecht. […] Durch manche menschlich
hochstehende ‚Prominente‘, an die sich bald ein Kreis anschloß, bildete sich eine gesellschaftliche Elite, die
zwar deplaciert und anachronistisch in ihrem Elend wirkte und materiell schlechter gestellt war als der letzte
Küchenjunge, aber trotzdem ein Gegengewicht zu der bisher allein tonangebenden Gesellschaft rund um die
jüdische Leitung darstellte.“ Siehe auch die Quellenedition Anna Hyndráková, Helena Krejčová, Jana
Svobodová, Prominenti v ghettu Terezín (1942–1945). Edice dokumentů (Praha 1996).
156 Eine Liste der „Prominenten A“ vom Herbst 1943 ist gedruckt bei Ralph Oppenhejm, An der Grenze
des Lebens. Theresienstädter Tagebuch (Hamburg 1961) 183–207, 205 der Eintrag zu Stein. Zum „Pro-
minentenalbum“ siehe mit kommentierter Wiedergabe der Personendaten und Fotografien Axel Feuss,
Das Theresienstadt-Konvolut (Hamburg/Berlin 2002) 71 (die Stein betreffenden Angaben nicht in allem
Abb. 5 : Arthur Stein im NS-Propagandafilm
„Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem
jüdischen Siedlungsgebiet“ von 1944.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien