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180 Hans Aurenhammer
Ab Oktober 1909 sind also Dvořák, der als Garant der Tradition der Wiener Schule der
Kunstgeschichte berufen worden war, und Strzygowski, der streitbare Gegner ebendieser
Tradition, Kollegen an derselben Universität. Dieser Antagonismus wird die Geschichte
der Wiener Kunstgeschichte über den Tod Dvořáks hinaus, bis zur Emeritierung Strzy-
gowskis 1934, bestimmen. Strzygowski betreibt sofort nach der Berufung die Unabhän-
gigkeit seiner Lehrkanzel61, die als „I. Kunsthistorisches Institut“ bezeichnet wird, für das
1911 eine eigene Wohnung gegenüber der Universität angemietet wird (Wien 1, Franzens-
ring 12 ; 1922 übersiedelt das Institut nach Wien 9, Hörlgasse 6). Dvořáks „Kunsthisto-
rischer Lehrapparat“, Teil des IÖG, verbleibt in den Räumlichkeiten im Hauptgebäude
am Ring. Die Aufteilung der Geldmittel und Bücherankäufe sowie die Abgrenzung der
Arbeitsfelder der beiden Lehrkanzeln sind auch weiterhin ständiger Konfliktstoff, etwa als
Strzygowski 1912 (letztlich ohne Erfolg) die Gründung eines eigenen Auslandsinstitutes
für kunstgeschichtliche Forschungen auf dem Balkan, in Osteuropa und in ganz Asien vor-
schlägt und damit auch die Kompetenzen neu ordnen möchte62.
Trotz solcher interner Streitigkeiten und neben seinen Verpflichtungen in der aka-
demischen Lehre engagiert sich Dvořák mit großem Einsatz auch in der Organisation
langfristig angelegter wissenschaftlicher Projekte. Er redigiert ab 1910 das Rezensions-
organ „Kunstgeschichtliche Anzeigen“ und führt die von Wickhoff initiierte Katalo-
gisierung der illuminierten Handschriften in Österreich weiter63. Er wird Mitarbeiter
bei den vom Deutschen Verein für Kunstwissenschaft geplanten „Monumenta artis
Germaniae“. Dazu kommen seine umfassenden Aufgaben als Generalkonservator der
Denkmalpflege-Zentralkommission. In dieser Funktion unternimmt er in den Fe-
rienmonaten zahlreiche Reisen in die österreichischen Kronländer. In dem von ihm
schon 1907 begründeten „Kunstgeschichtlichen Jahrbuch“ der Zentralkommission er-
scheinen seine Kommentare zu von ihm begutachteten Restaurierungsprojekten wie
der Prager Burg, dem Wawel in Krakau (Kraków), dem Dom von Aquileja (Aquileia)
oder dem Diokletianspalast in Split64. 1907 begründet er auch die „Österreichische
61 Vgl. etwa : Regulativ für die Benützung der Sammlungen bei den beiden Lehrkanzeln für Kunstgeschichte an
der k.k. Universität in Wien (1911). UAW, Phil. Fak, PA Julius von Schlosser. Vgl. dazu allgemein Höflech-
ner, Etablierung (wie Anm. 1) 51–53.
62 Vgl. UAW, Phil. Fak. Akt 782 aus 1911/12 (in : PA Josef Strzygowski) ; UAW, Phil. Fak. 311 (Prof.Coll.
Sitzungsprotokolle 1908/09–1912/13) : Sitzungen vom 11.05. und 15.07.1912, 18.01. und 09.11.1913.
63 Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österrreich 1–3, hg. v. Franz Wick-
hoff (Leipzig 1905–1907), Bände 6–7, fortgeführt von Max Dvořák (Leipzig 1911–1917). Siehe auch
Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 1) 310 und 341.
64 Vgl. Max Dvořák, Restaurierungsfragen, I. Die Prager Königsburg, in : Kunstgeschichtliches Jb. der k. k.
Zentralkommission 2 (1908) Beibl., Sp. 1–8 ; Restaurierungsfragen, II. Das Königsschloss am Wawel, ebd. Sp.
105–112 ; Die Mosaikenfunde von Aquileja, ebd. 3 (1909) Beibl., Sp. 97f ; Restaurierungsfragen, 3. Spalato,
ebd. Sp. 117–142 ; Die Restaurierung des königlichen Schlosses auf dem Wawel in Krakau, ebd. 8 (1909) Sp.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien