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Max Dvořák (1874–1921) 187
zitierte Modell der antiken Kunstentwicklung96), der eine „Geschichte des Naturalismus“
vom spätantiken Illusionismus über die „malerischen“ Positionen der Barockmalerei bis
zu den Impressionisten geplant hatte97. Mit Wickhoff, der selbst als Maler dilettierte und
1900 bei der bekannten Kontroverse um das Fakultätsbild der „Philosophie“ gegen seine
Professorenkollegen die Partei Gustav Klimts ergriff98, teilte Dvořák das Engagement für
zeitgenössische Kunst.
Das Modell einer vom Standpunkt des stilistischen Fortschritts99 – das heißt der Per-
fektionierung der naturalistischen Darstellung – erklärten Kunstgeschichte, dessen Va-
lidität Dvořák im Van-Eyck-Text an einem Ausnahmefall beweisen wollte, überträgt er
ab dem Wintersemester 1904/05 in seinen Vorlesungen auf die gesamte abendländische
Kunstgeschichte. Dabei interessieren ihn – entsprechend dem Wiener Programm der Re-
valorisierung vermeintlicher Verfallsperioden – vor allem antiklassische Stile, die er als
entwicklungsgeschichtlich notwendige Wendepunkte legitimiert. So konzentrieren sich
seine Mittelalter-Vorlesungen100 nicht wie die Van-Eyck-Studie auf die Spätzeit, sondern
auf die schon durch Wickhoff und Riegl neu bewertete Schwellenzeit zwischen Spätan-
tike und Frühmittelalter, über deren Skulptur er schon 1903 einen Wickhoff gewidmeten
Aufsatz verfasst hatte101. Die europäische Malerei des 18. Jahrhunderts wiederum, über
das er eine größere Arbeit plante102, wird als Voraussetzung für die das 19. Jahrhundert
bestimmende, laut Dvořák bis in die Gegenwart fortdauernde Dichotomie zwischen dem
Klassizismus und fortschrittlichen Richtungen (Romantik, Naturalismus, Impressio-
nismus) gesehen (namentlich erwähnt er Jean-François Millet, Édouard Manet, James
McNeill Whistler)103. Auch hier gelangt er zur Schlussfolgerung, dass die Entwicklung
96 Franz Wickhoff, Römische Kunst (Die Wiener Genesis) (Berlin 1912).
97 Dvořák, Franz Wickhoff (wie Anm. 88) 311.
98 Alice Strobl, Zu den Fakultätsbildern von Gustav Klimt, in : Albertina-Studien 2 (1964), 138–169 ;
Schorske, Fakultätsbilder (wie Anm. 20) ; Lachnit, Wiener Schule (wie Anm. 6) 40–47 ; Klimts sym-
bolistisches Pathos dürfte Wickhoffs ästhetischen Vorstellungen allerdings wohl wenig entsprochen haben,
wie er sie 1897 formuliert hatte (völlige Relativierung des Bildsujets, Aufhebung aller Werthierarchien und
externen Referenzen als Signatur der Moderne). Seine Sympathien gehörten den französischen, v. a. aber den
englischen Künstlern des späten 19. Jahrhunderts. Vgl. Franz Wickhoff, Über moderne Malerei (1897), in :
ders., Abhandlungen, Vorträge und Anzeigen 2, hg. v. Max Dvořák (Berlin 1913) 47f.
99 Max Dvořák, Geschichte der barocken Kunst in Italien, Vorlesung (WS 1905/06) 608. IKWA.
100 Max Dvořák, Geschichte der mittelalterlichen Kunst I, Vorlesung (WS 1906/07) ; ders., Geschichte der
mittelalterlichen Kunst II, Vorlesung (SS 1907) ; ders., Geschichte der abendländischen Kunst im Mittelal-
ter, Vorlesung (WS 1910/11). Alle : IKWA. Dazu ausführlich : Aurenhammer, Revision (wie Anm. 5).
101 Max Dvořák, Les Aliscans (1903), in : ders., Gesammelte Aufsätze (wie Anm. 8) 4–18.
102 Bericht der Kommission, 03.07.1909 (wie Anm. 47) : Wegen seiner Arbeiten in der Denkmalpflege konnte
auch ein fast abgeschlossenes Buch über die malerischen Probleme des 18. Jahrh. noch nicht dem Druck übergeben
werden.
103 Max Dvořák, Die malerischen Probleme des 18. Jahrhunderts, Vorlesung (SS 1910). IKWA.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien