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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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Max Dvořák (1874–1921) 191 dass in der mittleren Periode von Dvořáks Schaffen „immer deutlicher die anfangs latente allgemein geistesgeschichtliche Grundlage die Behandlung der formalen künstlerischen Probleme durchdringt“121. Dieser Prozess wurde wiederum durch die Erfahrung der zeitgenössischen Kunst in Bewegung gehalten. Der frühe Dvořák hatte, überspitzt formuliert, das historische Kon- tinuum von einem schon erreichten „Ende der Kunstgeschichte“ aus betrachtet : dem Impressionismus, in dem er den Naturalismus zur Vollendung gebracht fand. Eben dieser Fluchtpunkt der Geschichte – und damit die Reduktion von Kunstgeschichte auf eine Geschichte der Perfektionierung der Naturdarstellung – musste aber spätestens um 1910 ins Wanken geraten. Seit 1912 entwickelt Dvořák daher ein neues Verständnis der Mo- derne, das offensichtlich auf expressionistische und abstrakte Tendenzen antwortet und sich auf zeitgenössische kulturpessimistische und spiritualistische Ideologien bezieht. Die konkreten Wege von Dvořáks Moderne-Rezeption sind noch zu erforschen. Hier muss der Hinweis auf Hans Tietze genügen, seinen Freund und Mitarbeiter in der Zentralkom- mission, der gemeinsam mit seiner Frau Erica Tietze-Conrat 1909 von Oskar Kokoschka porträtiert wurde und 1911/12 den Almanach des „Blauen Reiter“ rezensierte122. Im Oktober 1913 eröffnet Dvořák eine Vorlesung über mittelalterliche Kunst mit einer Zeitdiagnose, die in die damals weit verbreitete neuidealistische Kritik am Materialismus des vergangenen Jahrhunderts einstimmt, wie sie zum Beispiel auch Wassily Kandinskys „Das Geistige in der Kunst“ (1911) prägte. Der positivistische Fortschrittsglaube, der Primat der Naturwissenschaften und die Technikidolatrie des 19. Jahrhunderts seien jetzt genauso obsolet geworden wie ihre künstlerischen Äquivalente, Naturalismus und Im- pressionismus. Dvořák konstatiert eine tiefe Wandlung […] der geistigen Kultur. […] In den Wissenschaften macht sich das Bedürfnis nach vertiefender Synthese einerseits und nach neuer philosophischer Durchbildung aller Wissenschaften anderseits immer mehr bemerkbar, und selbst in Fragen der Technik und der materiellen Kultur kann gegenüber dem einseitigen Utilitarismus der letzten Jahrzehnte eine große Reaktion beobachtet werden123. Mit der Absage an den Naturalismus fällt der Parameter für Dvořáks bisherige (und oft ziemlich einseitige !) Rekonstruktion der Kunstgeschichte : die „Naturwahrheit“. An seine Stelle tritt in den Vorlesungen dieser Jahre vor allem die subjektive Freiheit des Künstlers, der die Darstellung der Wahrnehmungswelt in Idealkompositionen transzendiert124. Die 121 Benesch, Dvořák (wie Anm. 3) 171. 122 Hans Tietze, Der Blaue Reiter, in : Die Kunst für Alle 27 (1911/12), wieder abgedruckt in : ders., Leben- dige Kunstwissenschaft. Texte 1910–1954, hg. von Almut Krapf-Weiler u. a. (Wien 2007) 38–44. Vgl. zur Beziehung zu Dvořák : Hans Tietze, Geisteswissenschaftliche Kunstgeschichte, in : Die Kunstwissen- schaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. Johannes Jahn (Leipzig 1924) 183–198. 123 Dvořák, Geschichte der abendländischen Kunst im Mittelalter I 1913/14 (wie Anm. 120) 10 und 12f. 124 Vgl. Dvořák, Tintoretto, Vortrag (1914) (wie Anm. 108) 99.
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
2
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78764-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
678
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien
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