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204 Ulfried Burz
Klagenfurt lehrende, nunmehr emeritierte Ordinarius für Neuere und Österreichische Ge-
schichte, Helmut Rumpler, spannt den zeitlichen Bogen weiter : „Im Rückblick auf die
Geschichte findet sich vieles, was die politische Zugehörigkeit Kärntens zu Österreich als
ungerechtes Schicksal, als Belastung, ja als Unglück erscheinen lässt. […] Die Kärntner
Geschichtsschreibung hat, dem politischen Empfinden einer breiten Öffentlichkeit fol-
gend, dieses Geschichtsbild vertieft und aus der historischen Verbindung Kärntens mit
Österreich eine durch diese Verbindung verursachte ‚Leidensgeschichte‘13 gemacht.“14 Un-
abhängig davon, dass Rumpler hinsichtlich des Zeitrahmens der „Passionsgeschichte“ vage
bleibt, ließen sich für die Zeit nach der 1848er-Revolution bis in die jüngere Gegenwart
zahlreiche Belege bringen, die die Einschätzung des „Österreich-Historikers“ stützen. Ob
die generalisierende These auch bei einer Gesamtbeurteilung der politischen Geschichte
vor dem Revolutionsjahr 1848 haltbar ist, wäre aber noch breiter auszuleuchten. Niemand
Geringerer als Wutte, dessen Bild vom politischen Österreich des späten 19. und mittleren
20. Jahrhunderts markant von einem gesamtdeutschnationalen Denken überlagert war, re-
lativiert in einem 1941 veröffentlichten inhalts- und aufschlussreichen Aufsatz die Vorstel-
lung von einer seit 1335 andauernden Leidensgeschichte. Der Kärntner Historiker spricht
ausdrücklich von hausgemachten Fehlentwicklungen im Lande und zeigt Verständnis für
die Reformen der „Kaiserin“ Maria Theresia15. Und dass diese Regentin eine bedeutungs-
volle Symbolgestalt für das zugegeben schwer definierbare „Österreichtum“16 schlechthin
ist, dürfte in Historikerkreisen keinen Proteststurm auslösen.
Dass die Verbindung zwischen Kärnten und Österreich mehr einer temporären Pous-
sade gleichkommt, deutete 1985 Alfred Ogris, damals Kärntner Landesarchivdirektor,
an17 : „Vom Jahre 1918, dem Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie, spannt sich
13 Helmut Rumpler, Kärnten und Österreich. Eine unbeglichene historische Rechnung, in : Liebe auf den
zweiten Blick. Landes- und Österreichbewußtsein nach 1945, hg. v. Robert Kriechbaumer (Schriftenreihe
des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek 6, Wien/Köln/
Weimar 1998) 141–148, hier 144.
14 Helmut Rumpler, Die nationale Frage im Spannungsfeld von kärntnerischem Landespatriotismus, österrei-
chischem Staatsbewusstsein und völkischem Nationalismus 1918–1938, in : Kärnten und die nationale Frage
4 (wie Anm. 3) 9–82, hier 10.
15 Martin Wutte, Beiträge zur Verwaltungsgeschichte Kärntens, in : Carinthia I, 131 (1941) 86–120, hier 119.
16 Jüngst dazu eine Sicht von außen : William M. Johnston, Der österreichische Mensch. Kulturgeschichte
der Eigenart Österreichs (Studien zu Politik und Verwaltung 94, Wien/Köln/Graz 2010). Der US-Historiker,
ausgewiesener Kenner der österreichischen Kulturgeschichte, hat 370–373 eine „Allgemeine Bibliographie
zum Österreichertumsdiskurs 1910–1967“ und 339–367 eine „Bio-Bibliographie der Essayisten zum Öster-
reichertum“ zusammengestellt.
17 Zu Ogris siehe Wilhelm Wadl, „Porträt eines Vielseitigen“, in : Kärntner Landesgeschichte und Archivwis-
senschaft. FS für Alfred Ogris zum 60. Geburtstag, hg. v. dems. (Archiv für Vaterländische Geschichte und
Topographie 84, Klagenfurt 2001) 13–20.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien