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Martin Wutte (1876–1948) 221
erfährt eine an Geschichte interessierte breitere Öffentlichkeit allerdings erst im Jahr
1988, nun durch den vollständig veröffentlichten Lebenslauf ; Wutte gibt über seine Mit-
arbeit in diesem Schutzverein eine allgemein gehaltene Auskunft91. Während er dabei auf
Aktivitäten der allslowenischen Volkspartei und der allslowenischen Volksbewegung in
Kärnten hinwies, schenkte er der Kehrseite der Medaille keine Beachtung. Wenige Jahre
vor dem Verfassen seines Lebenslaufes hatte Wutte sein Wissen über die Geschichte des
„Alldeutschen Verbandes“ und der „Deutschen Volkspartei“ in Kärnten in einem Aufsatz
detailreich ausgebreitet : „Anfang September 1886 hielt Schönerer92 die erste Versamm-
lung in Klagenfurt ab. Er griff bei dieser Gelegenheit den Deutschen Klub93 heftig an.
Da es in Kärnten keine Judengefahr gab, so wurde hier Schönerers Auftreten als unnötige
Störung in einem Kampfgebiet empfunden. Man verurteilte es, dass er auch in Kärn-
ten, das damals in schwerem Kampfe mit Klerikalen und Slowenen stand, gegen den
Deutschen Klub zu Felde zog. Die ‚Freien Stimmen‘, die sich damals als deutschnatio-
nales Blatt bezeichneten und schon unter Leitung J. W. Dobernigs standen, erklärten,
nicht Schönerianer zu sein, Steinwender94 allein sei der berufene Führer der Deutschen
in Kärnten. Das war damals. Später wurde Steinwender auch in Kärnten wegen seiner
Sprunghaftigkeit selbst von nationalen Kreisen scharf abgelehnt. In den folgenden Jahren
sprach Schönerer wiederholt noch in Versammlungen in Kärnten, so 1887 in Klagenfurt,
es nämlich im gemischtsprachigen Kärnten kurz vor dem Kriege 42 Ortsgruppen der ‚Südmark‘ mit 2153
Mitgliedern gab, waren an slowenischnationalen Schutzvereinen nur 16 Ortsgruppen der ‚Slovenska Straža‘
(Slowenische Wacht) in Laibach und 6 Ortsgruppen des slowenischen Schulvereines (Cyrill- und Methodver-
ein) angemeldet.“ Wutte, Freiheitskampf (1922) (wie Anm. 1) 9.
91 Wutte, Lebenslauf 1988 (wie Anm. 38) 15 : „Nebenbei war ich im Deutschen Schulverein tätig. In den
Jahren 1911–1916 war ich Obmann des Kreises XVI Kärnten des Schulvereines. Seine Hauptaufgabe war, die
deutsche Sprache an den utraquistischen Schulen gegen die immer mehr zunehmenden Angriffe zu schützen,
der sie seitens der slowenischnationalen Bewegung ausgesetzt war. Es war dies umso notwendiger, als seit
1908 die neugegründete allslowenische Volkspartei auch in Kärnten Fuß faßte und diese im Sinne des 1848
aufgestellten slowenischen Nationalprogramms mit Aufgebot aller Kräfte nach Vereinigung aller von Slowenen
bewohnten Gebiete zu einem einheitlichen Verwaltungsgebiet strebte, ein Programm, dessen Erfüllung die
Zerreißung Kärntens und die Angliederung Südkärntens an Slowenien zur Folge gehabt hätte, was weder im
Interesse der Deutschen noch der Slowenen Kärntens lag. Jeder Rückgang der deutschen Sprache in Kärnten
war somit ein Erfolg der allslowenischen Bewegung auf dem Weg zur Slowenisierung Südkärntens als Vorbe-
reitung zu dessen Anschluß an Slowenien.“ Hervorhebung nach Vorlage.
92 Zu Schönerer vgl. Andrew G. Whiteside, Georg Ritter von Schönerer. Alldeutschland und sein Prophet
(Graz/Wien/Köln 1981) 162–165, zur Tätigkeit schlagender Studentenverbindungen an der Universität Graz
in der Studienzeit Wuttes, 214 zu Kärnten, und zuletzt das Poträt von Friedel Moll, Michael Wladika, Ge-
org von Schönerer (1842–1921). Ein alldeutscher Politiker aus dem Waldviertel, in : Waldviertler Biographien
3, hg. v. Harald Hitz u.a. (Horn/Waidhofen an der Thaya 2010) 121–150 (freundlicher Hinweis von Karel
Hruza).
93 Anm. Burz : Der „Deutsche Klub“ hatte sich nach den Reichsratswahlen von 1885 gebildet.
94 Zu Steinwender siehe Lothar Höbelt, Otto Steinwender. Porträt eines Nationalliberalen (Wien 1992).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien