Seite - 227 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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Martin Wutte (1876–1948) 227
Werbeschrift des Deutschen Schulvereins, in der er für Ergänzungen verantwortlich zeich-
net, werden die Hoffnungen, die mit der neuen Bahn verknüpft werden, artikuliert113.
Diese Überlegungen Wuttes, die teilweise an gegenwärtig noch immer bestehende poli-
tische Imponderabilien erinnern, entbehren trotz der Problematik, die jede Beurteilung
im Nachhinein birgt, nicht einer Bizarrerie. Ein Motiv für diese Argumentation ist ein
wichtiges Ursachenmoment und die wohl zentralste Triebfeder jedes hegemonialen Na-
tionalismus : die Furcht, Führungspositionen in der Gesellschaft zu verlieren. In Kärnten
haben über Jahrhunderte vorwiegend Angehörige der deutschsprechenden Mehrheitsbe-
völkerung diese Vorrangstellung eingenommen. Wutte spricht einen zentralen Kataly-
sator für die „geistige und wirtschaftliche Überlegenheit der Deutschen“ an. Es ist ein
Deutschtum, das „in Kärnten seit dem frühen Mittelalter bis auf die neueste Zeit einen
ununterbrochenen Fortschritt der deutschen Sprache“114 gesichert hat.
1913 veröffentlichte Wutte einen Artikel, der erneut von erfolgreicher Deutschtumsar-
beit zu berichten weiß und darüber hinaus auch ein beachtenswertes Stück deutscher
Schutzarbeitsgeschichte in Kärnten enthält. Wutte beschreibt zunächst den Werdegang
deutscher Schutzvereine und erinnert an den besonderen Beitrag Kärntens. Als Beleg da-
für wird eine Aussage eines prominenten Zeitzeugen aus dem deutschnationalen Lager he-
werden unsere Slowenen ohne Zweifel an Krain, dem Herd der Agitation, noch mehr Rückhalt finden als
bisher. Dazu droht nach Eröffnung der Bahn noch eine zweite Gefahr. Krainische Arbeiter sind schon jetzt
trotz der ungünstigen Verbindung mit Krain in Kärnten in großer Zahl zu treffen. Sie scheuen nicht die lange
Eisenbahnfahrt oder den beschwerlichen Weg über die Pässe, um Arbeit zu finden. Nach Eröffnung der Ka-
rawankenbahn wird die Einwanderung krainischer Arbeiter sicher stärker werden. Wenn also die neue Bahn-
verbindung mit Triest für die Erhaltung und Stärkung der deutschen Minderheiten im Süden der Monarchie
von Nutzen sein wird, für die gegenwärtige Stellung des Deutschtums in Kärnten kann sie gefährlich werden.
Eine Förderung der deutschen Sprache durch die neue Bahn läßt sich insofern erwarten, als erfahrungsgemäß
Industrie, Handel und Verkehr der Verbreitung der deutschen Sprache günstig sind ; denn gerade dort, wo
Industrie, Handel und Verkehr am stärksten sind, ist die Zunahme der deutschsprechenden Bevölkerung
am größten : in der Umgebung von Klagenfurt, in Ferlach, am Wörthersee. […] Damit ist ein Fingerzeig
gegeben, wie sich die nationale Arbeit zu gestalten hat. In erster Linie werden die deutschen Minderheiten
an der Sprachgrenze und in den Sprachinseln wirtschaftlich durch ausgiebigere Unterstützungen zu stärken
sein, wenn sie sich erhalten und weiter entwickeln sollen. In dieser Hinsicht ist gewiß zu wenig geschehen
und kann in Zukunft auch leicht mehr geschehen. Hand in Hand mit der wirtschaftlichen Kräftigung wird
der nationale Sinn zu wecken und wach zu halten sein, mehr, als dies bisher geschehen ist. Sehr zu begrüßen
wäre eine tatkräftige Besiedlungsarbeit, wozu die neuen Bahnen Gelegenheit genug bieten würden.“
113 K. Trost (†) ergänzt von Dr. M. Wutte, Aufgaben der deutschen Schutzvereine in Kärnten, in : Flug-
schriftensammlung. Deutscher Schulverein, Wien, VI. Linke Wienzeile, Werbschrift Nr. 95, o. D. [1910 ?]
6, aus : NLW, Schachtel 28, 936 : „Möge uns deutschen Kärntnern der Blick durch das zweite große Loch
nach Norden, das die Tauernbahn durch das Grenzgebirge geschlagen hat, in der nationalen Arbeit ermuti-
gen, und das Bewußtsein, daß ein Millionen-Brudervolk hinter den Bergen steht, uns stets wachsam und treu
auf dem gefährdeten Grenzposten erhalten !“
114 Wutte, Besiedlung Kärntens (wie Anm. 101) 91.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien