Seite - 238 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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238 Ulfried Burz
mit letztgenanntem Duumvirat, dem Kern einer „Gemeinde der Getreuen“146, über die
austrofaschistische Ständestaatzeit hinweg.
In der Institutionsgeschichte nationalpolitischer Vereine nahm der Kärntner Heimat-
bund, 1924 gegründet, eine Schlüsselrolle ein. Über Wuttes Tätigkeit in diesem Verein,
der nur mit großen Einschränkungen als Vorläufer des nach 1945 gegründeten Kärntner
Heimatdienstes zu betrachten ist147, wurde eine breitere Öffentlichkeit erst im 1988 ver-
öffentlichten Lebenslauf informiert148. Von der „Heimattreue“ ist im öffentlichen Raum
Kärntens bei politischen Festtagen immer wieder die Rede. Die Ansicht, wonach ein kol-
lektives homogenes Heimatbewusstsein möglich ist, ist gerade am Beispiel Kärntens ein
Widerspruch per se. In diesem Land wurde und wird ein deutschnationaler, ein slowe-
nischnationaler, ein „windischer“, ein erst in den letzten Jahrzehnten entstandener öster-
reichnationaler Wertekanon je nach persönlicher Neigung erdacht, entworfen, propagiert,
akzeptiert oder verworfen. Eine Ideologie der Homogenisierung läßt zwangsläufig einer
Heterogenität des Terminus „Heimat“ keinen Freiraum. Und es ist aber keine originelle
Erkenntnis, dass der Heimatbegriff vielseitig definierbar ist149.
146 Burz, nationalsozialistische Bewegung (wie Anm. 142) 162.
147 Die Organisations- und Wirkungsgeschichte zur Frühzeit dieser in Kärnten gesellschaftspolitisch bedeutsa-
men Institutionen sind ein Desideratum. Die von zahlreichen methodischen Unzulänglichkeiten geprägte
Darstellung von Martin Fritzl, Der Kärntner Heimatdienst. Ideologie, Ziele und Strategien einer nati-
onalistischen Organisation (Disertacije in razprave 22/Dissertationen und Abhandlungen 22, Klagenfurt/
Celovec 1990) setzt sich mit der Geschichte dieses 1957 gegründeten Vereines auseinander. Dessen lange Zeit
federführender Obmann, Dr. Josef Feldner, hat in den letzten Jahren eine nachhaltige, vielbeachtete Kehrt-
wendung in der „nationalen Frage“ vollzogen. Vgl. dazu aktuell : Josef Feldner, 90 Jahre KHD Kärntner
Heimatdienst. Eine Dokumentation (Klagenfurt 2010).
148 Wutte, Lebenslauf 1988 (wie Anm. 38) 16 : „Von 1924–30 war ich Obmann des Kärntner Heimat-
bundes, der die Interessen der heimattreuen deutsch und slowenisch sprechenden Bevölkerung des Abstim-
mungsgebietes zu betreuen hatte. Als solcher suchte ich versöhnlich und ausgleichend zu wirken, namentlich
gelegentlich der Verhandlungen über die von den deutschen Parteien den Slowenen angebotene Kulturselbst-
verwaltung. Es war das nicht leicht, da die Heimattreuen die bösen Erfahrungen, die sie zur Zeit der jugosla-
wischen Besetzung von Dezember 1918–10. Oktober 1920 gemacht hatten, nicht vergessen konnten und die
Laibacher Nationalisten durch eine planmäßige Propaganda eine irredentistische Bewegung in Südkärnten
großzuziehen suchten und alle Vorbereitungen für eine Neuaufrollung ihrer Ansprüche auf Südkärnten tra-
fen. In diesem Sinne waren auch namhafte slowenische Fachleute – Historiker, Geographen, Volkskundler
und Sprachforscher – tätig. Davon abgesehen, entwickelte sich die slowenische Wissenschaft nach Gründung
der Laibacher Universität zu einer sehr beachtenswerten Höhe und konnten ihre Leistungen, die vielfach
auch für Kärnten von Bedeutung waren, nicht übersehen werden. Es musste daher die slowenische wissen-
schaftliche Literatur verfolgt und, wenn nötig, zurückgewiesen werden. Es gelang, einen kleinen Kreis von
Fachleuten zu gewinnen, die sich dieser Aufgabe im Rahmen der Carinthia I unterzogen. Unbewußt leisteten
wir durch diese meist in der Carinthia I erschienenen Arbeiten eine wichtige Vorarbeit für die Abwehr der
Gebietsansprüche, die Jugoslawien 1947 gegenüber Kärnten stellte.“
149 Vgl. dazu Meinungen von Personen des öffentlichen Lebens in Kärnten – „mit ausländischer Beteiligung“ –
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien