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294 Martina Pesditschek
einer von ganz wenigen angesehenen Historikern als „Renommierfachmann“173, das heißt
Mitglied des Sachverständigenbeirats (und zwar Gutachter für die „Forschungsabteilung
Nachkrieg, insbesondere Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung“) zur Verfügung
gestellt hatte ; eben Frank gegenüber nahm der gleich 1935 zum Ehrenmitglied des besagten
Instituts ernannte Srbik dann 1938 im Anschluss an einen gescheiterten Vermittlungsver-
such zugunsten von Oncken, Franks von ebendiesem mit abgrundtiefem Hass verfolgten
akademischen Lehrer, eine völlig servile Haltung ein174.
Srbik hat sich also in der Zeit zwischen 1933 und 1938 in seinen Handlungen nicht
etwa nur wie ein „Sympathisant“ des Nationalsozialismus verhalten175, sondern vielmehr
wie ein fest entschlossener Nationalsozialist, der den „Anschluss“ an das „Gelobte Land“
Nazideutschland aktiv herbeiführen wollte, und der Schluss liegt auf der Hand, dass er
eben schon damals ein solcher gewesen ist, zumal man ja a priori durchaus erwarten sollte,
dass der real existierende Nationalsozialismus auf Mitglieder einer seit jeher weit „rechts“
stehenden Burschenschaft wie der „Gothia“ höchst anziehend gewirkt hat. Gegen eine
solche Einordnung spricht nicht, dass sich Srbik selbst vor 1938 niemals uneingeschränkt
zum Nationalsozialismus bekannt hat, sondern sich entweder als Nichtnationalsozialisten
bezeichnete, dem vieles am Nationalsozialismus Respekt abnötigte176, oder sich umge-
kehrt als dessen Pseudokritiker ausgab, dem vieles an ihm nicht gefiel177, woraus man
dann freilich ableiten konnte, dass ihm noch viel mehr am Nationalsozialismus sehr wohl
gefiel. Schließlich war Srbik bis 1938 Beamter in einem Staat, in dem die NSDAP offiziell
verboten war und der seinen Angestellten in selbst totalitärer Weise die Mitgliedschaft in
einer anderen (wenn auch seit 1936 der NSDAP nach und nach immer weniger feindlich
gesinnten) Einheitspartei, nämlich der Vaterländischen Front, vorschrieb178. Außerdem
173 Derndarsky, Historie (Bibl.) 161 ; vgl. Heiber, Frank (wie Anm. 118) 267 („‚Sachverständigenbank‘ der
Geschichtsklitterung“), 597, 611, 693f.; Pitcher, Srbik (Bibl.) 210–215.
174 Heiber, Frank (wie Anm. 118) 212 mit Anm. 1 und 222f. („jenes […] ängstliche Zurückweichen vor
Franks Stirnrunzeln“) ; vgl. auch Derndarsky, Österreich (Bibl.) 166. Srbik hatte sich übrigens 1937 sogar
in einem an Hitler selbst gerichteten Brief für Frank eingesetzt : Heiber, Frank (wie Anm. 118) 577f., 716,
900f., 904.
175 So kritisch Graf-Stuhlhofer, Opportunisten (Bibl.) 153f. Beim Terminus „Sympathisant“ mag man
doch eher an eine Person denken, die bloß den verbotenen „Völkischen Beobachter“ mit klammheimlicher
Freude las.
176 Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 288 ; vgl. Schönwälder, Historiker (wie Anm. 5) 321 Anm. 50.
177 Vgl. Wandruszka, Stellung (wie Anm. 123) 9f.: „Wissen Sie, meinte er, ich bin 57 Jahre alt, und draußen
geschieht doch auch sehr viel, wo ich nicht mitmachen kann. Ein anderes Wort ist mir noch aus dem gleichen
Zusammenhang in Erinnerung […] : Wissen Sie, es ist ja so vieles nicht erfreulich, was draußen geschieht, aber
schließlich ist es doch die Zukunft.“ Dies bestätigt, dass Srbik im Nationalsozialismus damals natürlich keines-
wegs eine victa causa gesehen hat.
178 Vgl. dazu Irmgard Bärnthaler, Die Vaterländische Front. Geschichte und Organisation (Wien/Frank-
furt/M./Zürich 1971) 105f., 146f.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien