Seite - 296 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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296 Martina Pesditschek
worden. Am 30. April 1936 wurde Srbik von der Universität München gleichzeitig mit
dem NS-Dichter Josef Weinheber der mit jeweils 10.000 RM dotierte „Wolfgang Ama-
deus Mozart-Preis für deutsches Volkstum in Österreich, Ungarn, auf dem Balkan und in
Italien“ verliehen, der „zu Recht als eine Art reichsdeutscher Staatspreis für die nationale
Literatur Österreichs bezeichnet“ wurde183. Jean Rudolf von Salis184 wollte von einem
Besuch bei Srbik in dessen Wohnung im Schloss Schönbrunn im Herbst 1936 wegen
dessen augenscheinlicher NS-Gesinnung „tief betroffen“ und „ziemlich niedergeschlagen“
zurückgekommen sein185, Ritter hat ihn 1937 einen „als Vertrauensmann des heutigen
Deutschland international bekannten Historiker“ angesprochen186, und dass Bundeskanz-
ler Schuschnigg Srbik im Zusammenhang mit dem Juliabkommen 1936 einen Minister-
bzw. den Vizekanzlerposten angeboten187 und ihn schließlich noch Anfang 1938 für einen
183 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Amann, Zahltag (wie Anm. 124) 108–112, gemäß der Srbik des Wei-
teren „in Erwartung des Geldes“ sogleich „einen Kraftwagen“ erwarb ; aber die Auszahlung des Preises er-
folgte tatsächlich nach langem Hin und Her erst im Dezember desselben Jahres, während „Prof. v. Srbik“
schon im Juli „auf Bezahlung des Kraftwagens gedrängt“ worden war ; zumindest die lange Verzögerung der
Überweisung des Preisgeldes war also wirklich etwas, was „draußen geschah“ und „nicht erfreulich“ für Srbik
war. 1938 war Srbik dann übrigens imstande, einer später in Theresienstadt zu Tode gebrachten jüdischen
Akademikerin eine Villa in Wien-Währing abzukaufen, vgl. Derndarsky, Österreich (Bibl.) 195.
184 Vgl. zuletzt Urs Bitterli, Jean Rudolf von Salis. Historiker in bewegter Zeit (Zürich 2009).
185 Vgl. Salis, Grenzüberschreitungen 1 (wie Anm. 180) 162 : „Ich war tief betroffen, als dieser angesehene
Fachmann mit süffisant mitleidigem Lächeln über Meinecke sprach, der gar nicht begreifen könne, daß die
deutsche Jugend nach dem ‚Umbruch‘ sich etwas ‚ungebärdig‘ benommen habe.“ Und 485 : „Von meinem
Besuch bei Professor Heinrich von Srbik im Schloß Schönbrunn […] kam ich ziemlich niedergeschlagen
zurück ; es war mir schwer verständlich, daß der Biograph Metternichs am Dritten Reich wenig oder nichts
auszusetzen fand.“
186 Ritter, Historiker (wie Anm. 147) 328 Nr. 78.
187 Vgl. etwa Moos, Bildungsbürgertum (Bibl.) 136 ; Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 289 ; Stoy, Institut (wie
Anm. 35) 129 mit Literatur. Laut Schuschnigg apud Moos lehnte Srbik „ohne daß es zu Verhandlungen
gekommen wäre, rundweg ab unter Berufung auf seine ausschließlich wissenschaftlichen Interessen und seine
Absicht, sich aus der Politik herauszuhalten“, was Moos seltsamerweise nicht für eine Ausrede hält, vgl. Srbiks
eigene briefliche Formulierung (Srbik, 461 Nr. 289) Den Eintritt in die Regierung habe ich bereits im Mai
abgelehnt, da damals die Situation noch nicht reif genug war, und Borodajkewycz, Srbik (1978) (Bibl.) 10
(„[…] versagte er sich einem System, dem er seine Zustimmung nicht geben konnte“) sowie auch Bärntha-
ler, Vaterländische Front (wie Anm. 178) 143f. für die Information, dass Srbik auch noch im Sommer 1937
gegenüber einem Gesinnungsgenossen „nicht an den wahren Verständigungswillen der Regierung“ zu glauben
vorgab. Etwas ganz anderes liest man wieder einmal bei Posch, Srbik (Bibl.) 189f.: „Gerade weil Srbik in
allen Kreisen hoch angesehen war, wurde er vom Kanzler Schuschnigg 1935 [sic] eingeladen, das Amt eines
Vizekanzlers zu übernehmen. Vom Gewicht seiner Persönlichkeit hoffte man sich einen Ausgleich der scharf
aufgeflammten inneren Gegensätze. Srbik hätte dieses Opfer der inneren Befriedung zuliebe gebracht, aber als
Bedingung stellte er eine weitgehende Amnestie und die Wiedereinberufung des gewählten Parlaments. Seine
Berufung scheiterte damals an diesen Bedingungen, die aber, wie man heute wohl überall erkennen wird,
seinem Einblick in die politischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten das beste Zeugnis ausstellen.“
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien