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302 Martina Pesditschek
nahezu allein die Wahrung der Südostverpflichtung des deutschen Volkes überlassen.“209
Gefeiert wird der Umstand, „daß Österreich am Lebensabend Franz Josephs mit Heka-
tomben von Blutopfern in die gesamtdeutsche Gemeinschaft wieder eingetreten ist“210,
erlebte das deutsche Volk doch auf diese Weise „wieder seine Geschichte und den Le-
bens- und Ordnungsraum seines ersten, seines ,heiligen Reiches‘“ mit der Folge, dass „der
volksdeutsche Gedanke und Wille […] durch den Einheitsschöpfer von Volk und Reich,
den Sohn des deutschen Österreich, zur Wirklichkeit geworden“ ist211.
Bei Srbiks Einstellung gegenüber Juden ist schon Derndarsky aufgefallen212, dass bald
nach dem „Anschluss“ klar antisemitische Aussagen nicht mehr bloß in seinen privaten
Briefen213, sondern auch in seinen (mehr oder weniger wissenschaftlichen) Veröffentli-
chungen aufscheinen. Ein eindeutiges Bekenntnis zum Rassenantisemitismus findet sich
etwa im 1942 erschienenen dritten Band der „Deutschen Einheit“ : „Die Ablehnung des
Judentums beruhte wie von alters her auf wirtschaftlichen und sozialen […], und auf re-
ligiösen Motiven, aber in ihr wirkte sich auch nach wie vor die instinktive Abneigung ge-
gen fremdes Blut und seine seelisch-geistige Eigentümlichkeit aus. […] Aufklärung und
Menschheitsidee hatten zur Assimilationsbewegung und zur bürgerlichen Emanzipation
der Juden aus dem Ghetto geführt, aber der Glaube, daß sie nun ihr eigenes Volkswesen
aufgeben und in das Wirtsvolk innerlich eingehen werden, hatte sich im ganzen als nicht
richtig erwiesen. Gewiß, es gab immer wieder Juden, die deutsches Wesen bewunderten,
innerlich erlebten und liebten, und durch Blutmischung ist wohl auch im Einzelfall nach
einigen Generationen eine Aufsaugung von Juden durch das Volk erreicht worden, zu
dem sie sich bekannten. Aber eine wirkliche Einschmelzung des reinblütigen Juden in
den fremden Volkskörper […] erwies sich als Unmöglichkeit. […] Blieb doch selbst in
209 Srbik, Einheit 4 (wie Anm. 5) 481.
210 Umgekehrt ließ Srbik in der dritten Berliner Rede von 1936 „Hekatomben von Reichsdeutschen auch für
Österreich“ fallen. Vermutlich begeistert rief er damals aus : „Schicksalsverbundenheit bis zum Letzten ! Rus-
sische Gegnerschaft gegen Österreich-Ungarn hatte sich auf Deutschland, französische und englische Geg-
nerschaft gegen Deutschland hatte sich auf Österreich ausgedehnt !“ ; Heinrich Ritter von Srbik, Österreich
in der deutschen Geschichte (München 1936, 21936, 31938, 41943, 51944) 77.
211 Srbik, Einheit 4 (wie Anm. 5) 482.
212 Derndarsky, Historie (Bibl.) 162.
213 Dass der Antisemitismus beim privaten Umgang mit Srbik eine höchst bedeutsame Rolle gespielt haben
muss, erhellt auch aus dem Umstand, dass sein enger Freund Bauer als eigenen Beitrag für die Srbik zu des-
sen 60. Geburtstag gewidmete Festschrift von 1938 eine antisemitische Polemik ausgewählt hat : Wilhelm
Bauer, Zur Judenfrage als gesamtdeutscher Angelegenheit zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in : Gesamtdeut-
sche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag am 10. November 1938, hg.
v. dems., Ludwig Bittner, Taras von Borodajkewycz, Otto Brunner, Wilhelm Deutsch, Lothar
Gross, Hans Hirsch, Reinhold Lorenz (München 1938) 236–247 (wo u.a. den „Bastarden des Geis-
tes“ wie Heinrich Heine „geradezu satanische Ausfälle wider das Christentum“ zugeschrieben werden).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien