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Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 309
Wiedergabe einer abschätzigen Äußerung Bismarcks über Napoleon I. im Rahmen einer
Vorlesung über Bismarcks Außenpolitik243 Ende Juni 1941 Hitlers gerade erst erfolgten
Überfall auf die Sowjetunion zu verurteilen beabsichtigte : Srbik wollte ja selbst sogar
schon lange vor 1941 das „kostbare“ deutsche Blut im Baltikum und an der Wolga an
ein großdeutsches Reich „angliedern“, und er war gemäß späterer Aussage seines Schülers
Reinhold Lorenz sogar „especially pleased with the German victories in Russia through
the fall and winter of 1941–42. Srbik had considered Hitler’s invasion of the Soviet Union
not only in accord with Germany’s vital interests but also as a necessary step in defending
European civilization against Bolshevishm“244. So stellt besagtes Zitat wohl nur einfach
einen Akt der Bosheit gegenüber der von Srbik ja auch sonst recht wenig geschätzten
Grande Nation245 und deren „Allerweltsherrscherdünkel“ dar – für Srbik war ja vielmehr
das deutsche Volk mit der Weltführung beauftragt worden246.
öffentlich bekundet haben“, gebe) ; Moos, Bildungsbürgertum (Bibl.) 153 ; Reimann, Srbik (Bibl.) 62 ;
Wandruszka, Srbik (1978/79) (Bibl.) 360.
243 Auch im Druck erschienen : Heinrich R. v. Srbik, Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1871 bis 1890
(Soldatenbrief Nr. 2, Wien [1943]). Dieses Werk schließt 69f. wie folgt : „Die Politik seiner [nämlich Bis-
marcks] Nachfolger führte schließlich zu einer Weltkoalition gegenüber den Mittelmächten, zum Untergang
des zweiten Kaiserreiches und zum Untergang der Donaumonarchie. Bismarck selbst hat im Jahre seines
Rücktritts, im Jahre 1890, in einer Äußerung über Napoleon I. die zwanzig Jahre seiner außenpolitischen
Führung des Reiches charakterisiert. Er sagte : ,Napoleon I. ging zugrunde, weil er, pochend auf seine kriege-
rischen Erfolge, mit allen Staaten Händel anfing, statt Frieden zu halten. Das Kriegsglück machte ihn rauflus-
tig und übermütig. Er begab sich in seinem Allerweltsherrscherdünkel in Gefahren ohne Ende und kam darin
um. Seine große Schöpfung ging nach kurzem Bestand in Brüche, weil er die erste Tugend des Staatsmannes,
die weise Mäßigung nach den größten Erfolgen gegenüber den anderen Völkern nicht übte und Europa in
einen Krieg nach dem anderen verwickelte, während ich nach 1871 den Frieden zu erhalten mich bemühte.‘“
244 Pitcher, Srbik (Bibl.) 218 Anm. 23. Im letzteren Sinn hat sich Srbik auch mehrfach öffentlich geäußert, so
hat er in der Eröffnungsansprache auf der Feierlichen Jahressitzung der Akademie der Wissenschaft in Wien
am 02.06.1943 (vgl. zu dieser bes. Gerbel, Geschichtsauffassung [wie Anm. 215] 88f.) u.a. von einem
„Kampf der Seele gegen die Maschine, der Liebe gegen den Haß“ gesprochen (Heinrich Ritter von Srbik,
Eröffnungsansprache, in : ÖAW, Almanach für das Jahr 1943 = 93 [1943] 171–174, hier 172) ; waren für
Srbik 1943 die Sowjetbürger offenbar seelenlose Maschinen, so hatte er diesen ein Jahr zuvor immerhin noch
den Status von Pflanzen, ja vielleicht sogar Tieren zuerkannt, als er aus einem angeblichen Feldpostbrief eines
Schülers beifällig zitierte, dass in der Sowjetunion „alles geistige Leben erloschen ist“ und „das rein Vegeta-
tive, Triebhafte vorherrscht“ (Heinrich Ritter von Srbik, Eröffnungsansprache, in : ÖAW, Almanach für das
Jahr 1942 = 92 [1942] 169–172, hier 170).
245 Vgl. etwa Moos, Bildungsbürgertum (Bibl.) 67, 150–153.
246 Laut Hamann, Kriegs- und Nachkriegserinnerungen (Bibl.) 379–391 hat Srbik allerdings tatsächlich
konstant und just auch öffentlich echte Regimekritik geübt, sich über den Antisemitismus der Nazis lustig
gemacht (380) und „noch während des Krieges“ die Aussage getan : „Jeder, der ein Gefühl für Recht und
Anstand besitzt, muß sich in Grund und Boden schämen für das, was jetzt alles tagtäglich im Namen unseres
Volkes geschieht“ (385). Das Problem mit dieser Art von Evidenz ist, dass Hamanns Srbik eine geradezu
heiligmäßige Lichtgestalt ist – fundamental antinazistisch, geradezu frankophil (371f.) und philosemitisch
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien