Seite - 312 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Bild der Seite - 312 -
Text der Seite - 312 -
312 Martina Pesditschek
Im Wesentlichen richtig ist auch, dass Srbiks „gesamtdeutsche Geschichtsauffassung“
von radikalnazionalsozialistischer [sic] Seite als katholisch-universalistisch heftig angegriffen
wurde und er selbst sich in extremen Parteikreisen den Ruf eines Klerikalen und Legitimisten
erwarb252, wobei er bemerkenswerterweise selbst just noch in seinem Rechtfertigungsschrei-
ben vom 3. September 1945 Wert auf die Feststellung legte, dass ich weder das noch das
andere war und bin253. Wie man sieht, hat Srbik von dieser Einschätzung gewusst und
unter ihr gelitten – es spricht Bände, dass er die prinzipiell ja sehr ehrenvolle faktische
Einstufung als österreichischer konservativer Nichtnazi254 ganz reflexartig auch noch nach
Kriegsende weit von sich gewiesen hat. Seine beiden wohl schärfsten Kritiker in dieser
Hinsicht waren Hermann Löffler einerseits und Ulrich Crämer andererseits.
Von Löffler wurde er „in seiner Geisteshaltung“ als mit der „Katholischen Ge-
schichtsschreibung“ verwandt charakterisiert : „Die Richtung, die Srbik vertritt, pflegt
man oft als die groß- und gesamtdeutsche Geschichtsauffassung zu bezeichnen. Zweifellos
richtig ist gewesen, ihn vor dem Anschluss Österreichs als österreichischen nationalen
Historiker im Gegensatz zum Dollfuss-Schuschnigg-System herauszustellen, es ist aber
falsch, in ihm den Schöpfer und Bewahrer einer großdeutschen Geschichtsauffassung zu
erblicken. Srbik ist katholischer österreichischer Historiker, der im ganzen in universalisti-
schen Ideen des I. Reiches lebt, das heißt, er ist eng mit der katholischen Reichsideologie,
der Habsburgischen Tradition und schließlich der Mitteleuropa-Idee katholischer Prägung
verwandt. Srbiks Geschichtsbild kommt nicht vom Volke255, sondern wird von dieser
Reichsidee her bestimmt, wie besonders anschaulich sein letztes großes Werk, ‚Deutsche
Einheit‘, bisher 2 Bände, und seine Berliner Vorträge 1937256 zeigten. Die Aufgaben
eines einheitlich deutsch bestimmten Geschichtsbildes kann aber nur der Überwindung
Gegengewicht zu schaffen, das die Preisverleihung an Mell an Bedeutung übertreffe“ (Archiv der ÖAW,
Grillparzerpreis 1941).
252 So Srbik in seinem Rechtfertigungsschreiben vom 03.09.1945, vgl. Derndarsky, Historie (Bibl.) 173f.
253 Ebd. 174.
254 Natürlich konnte ein österreichischer Konservativer prinzipiell auch Atheist und Republikaner sein, aber in
den damaligen Zeitläuften musste auch ein solcher Konservativer dem Klerus und dem Erzhaus um vieles
näher stehen als den Nazis.
255 Vgl. Derndarsky, „Idee“ (Bibl.) 196 : „Die Nennung des Volks darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß
Srbik insgesamt nur sporadisch darauf Bezug nahm.“
256 Damit sind drei Vorträge vom Dezember 1935 sowie Januar und Februar 1936 gemeint, siehe Schönwäl-
der, Historiker (wie Anm. 5) 91, 318 Anm. 6, und dies., Srbik (Bibl.) 532 mit Anm. 13 ; vgl. auch Hei-
ber, Frank (wie Anm. 118) 691 Anm. 2 ; vollständig wiedergegeben sind diese in Srbik, Österreich in der
deutschen Geschichte (wie Anm. 210) ; vgl. Fellner, Srbik (2002) (Bibl.) 338 ; und als Kuriosum auch die
unter dem Titel Heinrich R. v. Srbik, Österreich in der Geschichte (München 1936) erschienene 29seitige
Schrift der Revolutionären Sozialisten (Heinz Gittig, Tarnschriften 1933 bis 1945 [München/New Provi-
dence/London/Paris 1996] 133 Nr. 0613).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien