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12 Einführung
war auch kein Geld für die teure Reise zu neuen Scritture vorhanden. Franz bestritt seinen
Lebensunterhalt mit gelegentlichen Auftritten bei Privatkonzerten der Londoner Gesell-
schaft (etwa bei der Kunstmäzenin Lady Margaret Brown)60, durch Verpfändung seiner
Habseligkeiten und mit kleineren geliehenen Geldbeträgen. Letztere erbat er sich so-
wohl bei Londoner Bekannten als auch brieÀich bei seiner Frau und Giuseppe Jozzi.
Nicht immer waren seine Anstrengungen erfolgreich: Eine zunächst in Aussicht ge-
stellte Mitwirkung bei einem Oratorium Händels fand z. B. letztlich nicht statt.61 Franz
dachte deshalb auch immer wieder darüber nach, heimlich aus London abzureisen,62 hatte
aber genügend Beispiele von misslungenen Fluchtversuchen vor Augen: Die Tänze-
rin „La Tedeschina“ hatte trotz zahlungskräftiger Liebhaber 600 Pfund Schulden,
derer sie sich vergeblich durch Flucht zu entziehen versuchte.63 So wählte Franz schließ-
lich doch einen legalen Weg und verkaufte den Schuldschein des Earl of Middlesex an
einen Dritten. Die Summe Geldes, die er dafür bekam, reichte zur Tilgung seiner Ver-
bindlichkeiten, zur Bezahlung der zur Übernahme bereitgestellten Waren und für die
Rückreise aufs Festland.
1.4. Lebensalltag in London
Von August 1748 bis September 1749 wohnte Franz Pirker in vier verschiedenen Quartie-
ren, die sich alle in der näheren Umgebung des Haymarket und seiner Theater befanden.
Die an ihn gerichteten Briefe ließ er teils an seine Wohnadressen schicken, teils an Kaffee-
oder Gasthäuser,64 die für ihr jeweiliges Umfeld als Postannahmestationen dienten. Auch
nach Mariannes Abreise wohnte er weiter bei Herrn Realy,65 einem Schneider in
der Panton Street, der sich aufgrund der ausbleibenden Mietzahlungen nach der Opern-
saison 1747/48 des Koffers der Pirkers versichert hatte. Am 25. Oktober 1748 (59) kün-
digte Franz seinen Umzug für Montag, den 28. Oktober, an. Sein neues Quartier war ein
Zimmer, das vorher von dem Geigerkollegen Giuseppe Tessarini bewohnt worden
war.66 Nachdem er seine Schulden mit Realy geregelt hatte67, erhielt Franz ab 14. Novem-
ber 174868 seine Post in der „Oxendon Street near the Haymarket“. Die Gegend ge¿el
Marianne nicht, weil dort der Prostitution nachgegangen wurde. Mit seinem Brief vom
3. Dezember 1748 (80) übermittelte Franz wieder eine neue Adresse: „Pall mall in Stone
60 Brief vom 28. November 1748 (78).
61 Brief vom 3. Dezember 1748 (80).
62 Briefe vom 8. April 1749 (126) und vom 29. Juli 1749 (198).
63 Brief vom 8. Juli 1749 (189). Der bürgerliche Name der Künstlerin ist nicht bekannt.
64 Siehe z. B. den Brief vom 27. Mai 1749 (145).
65 Die genaue Schreibweise des Namens ist aufgrund mehrerer von Franz angebotenen Versionen
ungewiss. Der Beruf Realys ist aus dem Umstand zu ersehen, dass er für Franz eine Weste an-
fertigte Brief vom 18. Oktober 1748 (54).
66 Brief vom 28. Oktober 1748 (63).
67 Brief vom 1. November 1748 (65).
68 Brief vom 14. November 1748 (73).
Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Band 1 & 2
- Titel
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Untertitel
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Band
- 1 & 2
- Herausgeber
- Daniel Brandenburg
- Verlag
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 1048
- Kategorie
- Kunst und Kultur