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17Einführung
Engagements werden, sei es am jeweiligen Spielort selbst, sei es an entfernten Bühnen
oder in hö¿schen Residenzen. Nicht zuletzt deshalb bestand ein direktes Konkurrenz-
verhältnis der Ensemblemitglieder untereinander, die alle an dem jeweiligen Spielort
nach Nebenverdiensten in Bene¿z- und Privatkonzerten,100 Renommee sowie gewinn-
bringenden Kontakten in der höheren Gesellschaft strebten.
Reisen war kostspielig, und deshalb war die Erstattung der Aufwendungen für die
An- und Abreise zu und von einem Engagement in den Vertragsverhandlungen zwischen
Sängern und Impresari stets ein besonders strittiges Thema. Zudem war es für Frauen
nicht schicklich, alleine unterwegs zu sein, weshalb Marianne etwa auf ihrer Reise von
London nach Hamburg von ihrem Diener Philipp begleitet wurde. Einzelmobilität war
aber auch ein wichtiges Werkzeug des beruÀichen Netzwerkens und bot zumindest grund-
sätzlich auch Chancen pro¿tabler Engagements, wie das Beispiel des Kastraten Giuseppe
Jozzi zeigt. Er verließ London im Mai 1748, um in den Niederlanden und in Paris als
Cembalist sowie gegebenenfalls auch als Sänger zu konzertieren. Unmittelbarer Anlass
der Reise, die er Anfang des Jahres 1749 nur kurz mit einem weiteren Aufenthalt in der
britischen Hauptstadt unterbrach, war das große Aufgebot an Diplomaten, Militärs und
Fürsten, welche die Verhandlungen und Feierlichkeiten zum Frieden von Aachen in der
Region in Bewegung setzten. Jozzi versprach sich davon internationale Kontakte und
vielfältige Gelegenheiten zu Konzerten. Stolz berichtete er über seine Aussicht auf die
Bekanntschaft mit Hermann Moritz Graf von Sachsen, dem berühmten Maréchal de Saxe,
von dem er als Türöffner in Versailles eine Empfehlung101 an die Frau des Dauphins,
Maria Josepha von Sachsen, erhalten sollte.102 Einen Konkurrenten, den Kastraten Nicola
Reginelli, der ebenfalls von London aus nach Frankreich auf Konzertreise gegangen war,
behielt er dabei fest im Blick und ließ sich über ihn von Franz Pirker genau informieren,
der sich dazu in der Londoner Gesellschaft umhörte. Diese Nachrichten hielt Jozzi für
wichtig, um seine eigenen Erfolgschancen abschätzen zu können. Seine Erwartungen wur-
den insofern erfüllt, als er Vertreter der leitenden Società dei Cavalieri des Teatro Regio
in Turin traf und diesen eine Gagenforderung im Hinblick auf ein mögliches Engagement
unterbreiten konnte.103 Ferner erreichte ihn nach einer Begegnung mit dem spanischen
Botschafter in Den Haag104 ein Angebot aus Madrid.105 Dennoch war die Reise im unmittel-
baren ¿nanziellen Ergebnis nicht sehr ergiebig. Kastratengesang wurde am französischen
Hof nicht sonderlich goutiert, weshalb schon Reginellis Reise nicht die erhofften Früchte
100 Bene¿zkonzerte zu eigenen Gunsten, d. h. mit dem Recht, die Einnahmen zu behalten.
101 Zum Empfehlungsschreiben im 18. Jahrhundert siehe Jost, Edmund: Eintrittskarte ins Netz-
werk. Prolog zu einer Erforschung des Empfehlungsbriefs, in: Edmund Jost/Daniel Fulda (Hg.),
Briefwechsel. Zur Netzwerkbildung in der Aufklärung, Halle 2012 (Kleine Schriften des IZEA
4/2012), S. 103 –143.
102 Brief vom 11. Oktober 1748 (48).
103 Brief vom 14. Oktober 1748 (51).
104 Brief vom 24. September 1748 (25).
105 Brief vom 11. April 1749 (128).
Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Band 1 & 2
- Titel
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Untertitel
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Band
- 1 & 2
- Herausgeber
- Daniel Brandenburg
- Verlag
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 1048
- Kategorie
- Kunst und Kultur