Seite - 19 - in Die Operisti als kulturelles Netzwerk - Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Band 1 & 2
Bild der Seite - 19 -
Text der Seite - 19 -
19Einführung
3. Netzwerk – Opernbetrieb
3.1. Der italienische Opernbetrieb des 18. Jahrhunderts
als soziokulturelles Phänomen
Der italienische Opernbetrieb kreiste um ein komplexes künstlerisches Produkt, das dif-
ferenzierte Organisationsformen des kreativen Herstellungsprozesses verlangte, weil es
eine Vielzahl unterschiedlicher Ausdrucksformen in sich vereinte (Gesang, Instrumental-
musik, szenische Darstellung, Ballett, Bühnenmalerei, Bühnentechnik, Kostüm, usw.)
und die Mitwirkung ganz verschiedener künstlerischer und handwerklicher Berufe er-
forderte (Sänger, Orchestermusiker, Komponisten, Librettisten, Maler, Maschinisten,
usw.). Außerdem war dieses künstlerische Produkt, die italienische Oper, als repräsen-
tative Kunstform ein gesellschaftlicher Kristallisationspunkt, der nicht nur im Herstel-
lungsprozess, sondern auch auf der Ebene der Rezipienten Angehörige unterschied-
licher Gesellschaftsschichten zusammenführte. Das waren hinter der Bühne z. B. Hand-
werker (Maler, Schreiner, technisches Personal), aber auch Advokaten112, literarisch ge-
bildete Adelige (wahlweise als Librettisten oder Förderer von Gesangstalenten), aus dem
ländlichen Milieu stammende Bühnenkünstler (Tänzer, Sänger), im städtischen Bürger-
tum verankerte Musiker, investitions- und risikobereite KauÀeute (als Impresari oder
Kapitalgeber), oder als Theatermanager dilettierende regierende Fürsten. Vor der Bühne
im Zuschauerraum saß ferner ein je nach Spielstätte und Operngattung immer vielfälti-
geres Publikum.
All diese Personengruppen waren an dem Netzwerk des italienischen Opernbetriebs
auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt, trugen zu seinem Funktionieren bei und waren
damit in ein System des künstlerischen Transfers eingebunden, das die italienische Oper
zu einem wichtigen, gesamteuropäischen Phänomen des 18. Jahrhunderts machte. Kern
des Systems war das – trotz der aus heutiger Sicht rudimentären Kommunikations-
wege – erstaunlich enge Netzwerk der Künstler, das durch die hohe Mobilität seiner Mit-
glieder einen Grundpfeiler des musikalischen Kulturtransfers bildete. Diese Mobilität
wiederum wurde durch weit verzweigte diplomatische Verbindungen zwischen den für die
MusiktheaterpÀege wichtigen Residenzstädten (u. a. Wien, Berlin, Stuttgart, Mannheim,
Neapel), wirtschaftlichen Machtzentren (z. B. Venedig oder Bologna) und deren kultur-
tragender politischer Entscheidungselite unterstützt. Diese setzte die Rahmenbedingun-
gen für ein erfolgreiches Wirken der Künstler, indem sie ¿nanzielle Unterstützung leistete,
durch Theaterbauten wichtige logistische Voraussetzungen schuf, teilweise auch ihrer-
seits Übertragungskanäle für das musikalische Repertoire verfügbar machte oder über das
Netzwerk der diplomatischen und dynastischen Verbindungen durch Empfehlungen Kon-
takte und Engagements vermittelte.
112 Der Berufsgruppe der Juristen und Advokaten gehörten viele Librettisten an Pietro Metastasio
und Carlo Goldoni sind dafür nur zwei besonders prominente Beispiele.
Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Band 1 & 2
- Titel
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Untertitel
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Band
- 1 & 2
- Herausgeber
- Daniel Brandenburg
- Verlag
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 1048
- Kategorie
- Kunst und Kultur