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20 Einführung
Die im Opernbetrieb tätigen Künstler reisten teils alleine, teils als Mitglieder einer Wan-
dertruppe, wechselten gegebenenfalls eine Zeit lang in eine feste Anstellung und kehrten
dann in die Mobilität zurück.113 In diesem Zusammenhang leisteten vor allem die Wander-
truppen als Künstlerkooperativen und Vermittler von künstlerischem Personal einen
wesentlichen Beitrag zu der weit über die Grenzen Italiens hinausgehenden Verbreitung
des italienischen Opernrepertoires. Sie brachten die italienische Sprache sowie die mit
den italienischen Opern verbundenen ästhetischen Konzepte in Residenzen, Handels-
zentren und auch in Städte ohne Hof oder regelmäßigen Opernbetrieb. Sie trugen damit
substanziell dazu bei, dass die italienische Oper sowohl literarisch (als Theatergattung in
italienischer Sprache) als auch musikalisch zu einem gemeinsamen Kulturgut für ganz
Europa wurde.114 Damit konnte insbesondere die Opera seria zu einem Medium für das
politisch-kulturelle Handeln von Fürsten und Herrschern werden: Könige entwarfen Opern-
libretti (z. B. Friedrich II. von Preußen) und nutzten heroisch-historische Stoffe der Ge-
schichte als Chiffren für absolutistische Verhaltensweisen im Sinne eines dem Herrscher
huldigenden /
belehrenden Theaters. Darüber hinaus eigneten sich die Stoffe der römisch-
griechischen Antike, wie sie etwa von Pietro Metastasio herangezogen wurden, beson-
ders gut dazu, auf europäischer Ebene die Bedeutung der Dynastien hervorzuheben. Das
weit verzweigte dynastische Netz etablierter Herrscherhäuser – wie das der Habsburger,
Bourbonen oder aufstrebender ÃNewcomerµ wie der Hohenzollern – und die mit ihnen
verbundenen europäischen Territorialstaaten beförderten in diesem Sinne den europa-
weiten Austausch und eröffneten den Operisti einen weiten, internationalen Absatzmarkt.115
Netzwerkkonzepte wurden in der Sozialwissenschaft bereits in den 1970er-Jahren
als analytische Werkzeuge eingeführt, fanden aber erst in jüngerer Zeit auch Eingang in
die geschichtswissenschaftliche Forschung. Die Netzwerktheorie bot sich für die wissen-
schaftliche Auswertung des Briefwechsels der Pirkers als vielversprechender Ansatz zur
Untersuchung von Personengruppen und ihren sozialen, wirtschaftlichen und politischen
Beziehungen an, zumal Netzwerke auch in der historischen Perspektive in zunehmendem
Maße als allgegenwärtig begriffen werden. Netzwerk-Studien zu vergangenen Epochen
müssen sich aber besonderen Bedingungen unterwerfen: Sie rekonstruieren Beziehungen
im Nachhinein, können – anders als aktuelle Untersuchungen der Soziologie – methodisch
nicht auf Befragungen von am jeweiligen Netzwerk beteiligten Personen oder andere der
113 Siehe dazu Strohm, Reinhard: Europäische Pendleroper. Alternativen zu Hoftheater und Wander-
bühne, in: Thomas Betzwieser/Daniel Brandenburg (Hg.), Gluck und Prag, Kassel 2016, S. 13–28
(Gluck-Studien 7).
114 Strohm, Reinhard: Dramma per musica, in: Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte
und Gegenwart, Sachteil, Bd. 2 (MGG 2), Kassel 1995, Sp. 1452–1500: 1481 und Wiesend,
Reinhard: Die italienische Oper im 18. Jahrhundert: Hinführung, in: Herbert Schneider /Reinhard
Wiesend (Hg.), Die Oper im 18. Jahrhundert Laaber 2001, (Handbuch der musikalischen Gattun-
gen 12), S. 15 –21: 15.
115 Strohm, Reinhard: Italian Operisti North the Alps c. 1700
–1750, in: ders., The Eighteenth-Century
Diaspora of Italian Music and Musicians, Turnhout 2001, S. 1–59.
Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Band 1 & 2
- Titel
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Untertitel
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Band
- 1 & 2
- Herausgeber
- Daniel Brandenburg
- Verlag
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 1048
- Kategorie
- Kunst und Kultur