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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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2    Einleitung andererseits mehr als die vermehrt zu vernehmende Rede vom Holocaust als „‚GrĂŒndungsmythos Europas‘“ (Assmann 2013a, 157). Die Privilegierung des passiven Opfers in der kulturellen Erinnerung korre- liert mit einer Wende im Wissenschaftsdiskurs, die nach 1945 einsetzt und in den 1960er und 1970er Jahren an Konturen gewinnt. So kommt es in der Historiografie im Zuge dieser komplexen Prozesse zu einer Pluralisierung und Ausdifferenzie- rung der Perspektiven und methodischen ZugĂ€nge, wie Alltagsgeschichte, Oral History oder historische Anthropologie veranschaulichen. Das Paradigma der Erinnerung erfĂ€hrt eine Erweiterung von einem bloß individuellen hin zu einem sozialen und kollektiven PhĂ€nomen – ein Prozess, an dessen Beginn die Wieder- entdeckung der Schriften des französischen Soziologen Maurice Halbwachs in den spĂ€ten 1960er Jahren steht, der im KZ Buchenwald umgekommen war. Halb- wachs betonte, dass das kollektive GedĂ€chtnis auf das individuelle GedĂ€chtnis angewiesen sei, „in dem sich das Erleben der Erinnerungen vollzieht“. Indivi- duen seien „stets die TrĂ€ger kollektiver Erinnerungen“ (1991, 31, zitiert nach Ech- terhoff und Saar 2002, 21), was die Vorstellung eines universalen GedĂ€chtnisses und den ObjektivitĂ€tsanspruch der Historiografie in Frage stellte. Die wissen- schaftliche Perspektive auf Erinnerung und GedĂ€chtnis als VergegenwĂ€rtigung der Vergangenheit, die nur in ihrer kommunikativen Prozesshaftigkeit zu erfas- sen ist, erwies sich nicht nur fĂŒr die Geschichtswissenschaften, sondern insbe- sondere auch fĂŒr die Literaturwissenschaften und die „Beschreibung und Syste- matisierung literaturwissenschaftlicher GedĂ€chtniskonzepte“ (Erll und NĂŒnning 2005, 1) als produktiv. Die enge VerknĂŒpfung mit Fragen der kollektiven IdentitĂ€t ließen das Erinnerungsparadigma seit den 1990er Jahren schließlich zu einem Leitkonzept der sich herausbildenden Kulturwissenschaften werden. Der konstatierte Paradigmenwechsel „von der historischen Heroisierung zur historischen Viktimisierung“ (Sabrow 2012, 10) ist mit dem Aufstieg von Erin- nerung und GedĂ€chtnis zu kulturwissenschaftlichen SchlĂŒsselkategorien und dem mit ihnen verbundenen Paradigma der kollektiven IdentitĂ€t eng verknĂŒpft. Der bulgarisch-französische Wissenschaftler und Schriftsteller Tzvetan Todorov brachte diesen Zusammenhang von kollektiver IdentitĂ€t und gegenwĂ€rtiger Erin- nerungskultur auf die folgende pointierte Formel: So sehr niemand ein Opfer sein möchte, möchten im Gegenzug alle eines gewesen sein – „Mais si personne ne veut ĂȘtre une victime, tous, en revanche, veulent l’avoir Ă©tĂ©, sans plus l’ĂȘtre; ils aspirent au statut de victime“ (2004, 56). Das Begehren nach dem Opfer status und die in der Folge unweigerlich entstehenden Opferkonkurrenzen zwischen unterschiedlichen Opfergruppen sowie die damit verbundenen geschichts- und erinnerungspolitischen Implikationen haben u.a. Jean-Michel Chaumont (1997), Peter Novick (1999), Michael Rothberg (2009) oder Esther Benbassa (2010) ana- lysiert. Die zur Polemik zugespitzten Thesen des italienischen Literaturwissen-
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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Titel
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Herausgeber
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Miloơević
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
350
Schlagwörter
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
Kategorie
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