Seite - 4 - in Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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4â â Einleitung
lisieren, oder gerade dem aus dem kollektiven GedĂ€chtnis gelöschten âOpfer der
Anderenâ eingedenk zu sein.
Aus den genannten GrĂŒnden stehen vornehmlich literarische Texte, die
sich kritisch mit Opfernarrativen auseinandersetzen, im Zentrum des vorliegen-
den Sammelbandes, der ausgewÀhlte BeitrÀge der gleichnamigen Innsbrucker
Tagung versammelt. Seinen innovativen Charakter verdankt der Sammelband
zum einen der dezidiert literatur- und kulturwissenschaftlichen Ausrichtung der
BeitrÀge, was eine wichtige ErgÀnzung zu der bislang mehrheitlich geschichts-
wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema darstellt (z. B. Jureit
und Schneider 2011; Robel 2013). Zum anderen erweist sich die zumeist explizite
transnationale Fokussierung als produktiv, da sie auf die Ăberwindung national-
staatlich begrenzten, gleichsam âmonadischâ verfassten Erinnerns abzielt und die
Perspektive auf dialogisch konzipierte Erinnerungsdiskurse im Sinne von Aleida
und Jan Assmann lenkt. DarĂŒber hinaus zeigt sich die gewĂ€hlte transnationale
Fokussierung und die damit einhergehende Dynamisierung und produktive Ent-
grenzung von Erinnerungs- und somit auch von Opferdiskursen von aktuellen
geschichtswissenschaftlichen AnsÀtzen und Konzepten wie der histoire croisée
von Michael Werner und Bénédicte Zimmermann (2002) oder der entangled
history von Sebastian Conrad und Shalini Randeria (2002) inspiriert.
Die zur Diskussion gestellten literarischen Texte sind gröĂtenteils nach 1989
und damit nach dem fĂŒr Europa so bedeutsamen Jahr der âWendeâ entstanden. Mit
dem Jahr 1989 verbunden sind die Wiedervereinigung Deutschlands, der Fall des
Eisernen Vorhangs, das Ende des Kalten Krieges und damit in Zusammenhang
das Aufbrechen gewohnter Freund-Feind- wie auch Opfer-TĂ€ter-Konstellationen,
die sich als Folge der totalitÀren Systeme des zwanzigsten Jahrhunderts und der
von ihnen verursachten Gewalterfahrungen verfestigt hatten. Gleichzeitig geht
mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und mit den 1991 beginnenden
jugoslawischen Zerfallskriegen aber auch die Entstehung neuer Nationalstaaten
in Ost- und SĂŒdosteuropa einher und in Verbindung damit die Ausbildung neuer
identitÀtsstiftender Nationalgeschichten und neuer nationaler und regionaler
Opfernarrative, die â nicht zuletzt in der Museumspolitik â in Konkurrenz zuei-
nander treten und einer Demokratisierung und Pluralisierung der Erinnerung
entgegenwirken.
Die theoretischen Referenzpunkte der in diesem Band versammelten BeitrÀge
ergeben sich konsequent aus Fragen, die zum einen die ReprÀsen
tation und Arti-
kulation von Opfern und Opfergruppen betreffen, zum anderen auf Möglichkeiten
der Transgression schematisierender TĂ€ter-Opfer-BinaritĂ€t abzielen. FĂŒr Letzteres
erweisen sich, wie die einzelnen BeitrÀge zeigen, Michael Rothbergs Konzept des
âmultidirektionalen Erinnernsâ sowie Aleida Assmanns âdialogisches Erinnernâ
als besonders produktiv. Rothbergs Konzept der multidirectional memories, das
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Titel
- Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Herausgeber
- Eva Binder
- Christof Diem
- Miriam Finkelstein
- Sieglinde Klettenhammer
- Birgit Mertz-Baumgartner
- Marijana MiloĆĄeviÄ
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069346-1
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
- Kategorie
- LehrbĂŒcher