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8â â Einleitung
europÀische Orientierung unter Beweis stellen wollen, indem der Erinnerung an
den Holocaust in der nationalen Geschichtspolitik ein prominenter Platz einge-
rĂ€umt wird (wobei die Universalisierung des Holocaust ĂŒber dessen Umdeutung
als traumatisches Ereignis fĂŒr die gesamte Menschheit erfolgt); und jene, die aus
der Holocaust-Erinnerung vertraute Symbole und Ăsthetiken ĂŒbernehmen, um so
von âEuropaâ die Anerkennung des national-kollektiven Leidens unter dem Kom-
munismus einzufordern, wodurch der Holocaust zum âContainerâ fĂŒr âeigeneâ
Opfererinnerungen wird, die mit dem Holocaust in (Opfer-)Kon
kurrenz gesetzt
werden.
Hajnalka Nagy geht in ihrem Beitrag âDie Geschichte des/der Anderen: Zum
Umgang mit dem österreichischen TÀter-Opfer-GedÀchtnis bei Maja Haderlap und
Hamid Sadrâ zunĂ€chst auf die schwierige Erinnerung an den Partisanenkampf
der KĂ€rntner Slowen*innen im autobiografisch grundierten familiengeschicht-
lichen Roman Engel des Vergessens der KĂ€rntner Slowenin Maja Haderlap ein. Der
Vergleich mit dem Roman Der GedÀchtnissekretÀr des iranisch-österrei
chischen
Autors Hamid Sadr zeigt, dass gerade die Erfahrungen von Immigrant*innen
einer Nationalisierung und Ethnisierung der Erinnerungskultur entgegenwirken,
wie sie auch Ăsterreich mit dem Mythos, Hitlers erstes Opfer gewesen zu sein,
praktizierte. Ihre Einbindung in die GedÀchtniskultur eines Landes ist nicht nur
fĂŒr dieses selbst, sondern auch fĂŒr eine Demokratisierung der Erinnerung ins-
gesamt bedeutsam. Beide Romane setzen in ihrer erinnerungspolitischen Inter-
vention ganz Àhnliche ErzÀhlverfahren ein, um die Stimme der Opfer hörbar, die
verstellte Geschichte eines von autochtonen Minderheiten aktivierten âGegen-
gedĂ€chtnissesâ sichtbar zu halten und erlittene Traumata zu ĂŒberwinden.
Die zweite, auf âArtikulation(en)â gerichtete Perspektive vereint die Bei-
trÀge von Anna Brod, Maria Loreto Vilar und Ingeborg Jandl. Sie thematisieren
allesamt das Zur-Sprache-Kommen der aus der âoffiziellenâ GedĂ€chtnispolitik
ausgeklammerten Opfer, wobei zunĂ€chst die schwierige â da hĂ€ufig mit politisch-
ideologisch motivierten WiderstĂ€nden konfrontierte â Anerkennung als Opfer
(beispielsweise als Kriegsheimkehrer oder als Angehörige der Opfer des NSU) in
den Blick genommen wird. Ist diese Voraussetzung fĂŒr die Artikulation gegeben,
so birgt dennoch die Wortergreifung selbst Gefahren und Risiken. Insbesondere
gilt es, âsterileâ Viktimisierungsdiskurse zu vermeiden, da diese die Festlegung
auf eine passive Opferrolle begĂŒnstigen. Erst eine Aktivierung des Opfers, die
auch impliziert, nicht bloĂ ĂŒber das Opfer zu sprechen, sondern es selbst spre-
chen zu lassen, rÀumt veritable Handlungsmacht ein und vermag blockierende
Opferkonkurrenzen zu transzendieren.
RĂŒcken die BeitrĂ€ge die Erlangung von âHandlungsmachtâ (Wieviorka 2006,
94) ins Zentrum des Interesses, bezeugen sie den bereits in der theoretischen Ein-
leitung konstatierten Paradigmenwechsel im Hinblick auf Opfernarrative. Dieser
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Titel
- Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Herausgeber
- Eva Binder
- Christof Diem
- Miriam Finkelstein
- Sieglinde Klettenhammer
- Birgit Mertz-Baumgartner
- Marijana MiloĆĄeviÄ
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069346-1
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
- Kategorie
- LehrbĂŒcher