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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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22    Gudrun Heidemann Finsterwalder (2013) in ihrem Episodenfilm Finsterworld. Von den verwobenen Handlungssträngen seien exemplarisch die Verstrickungen genannt, die bei einer Klassenfahrt ins Konzentrationslager einen Kulminationspunkt finden, wenn zwei Schüler ihre Mitschülerin in einen Krematoriumsofen sperren, das von ihrem Lehrer befreite Mädchen hysterisch um sich schlägt, sodass ihre Bluse reißt, weshalb nun der Lehrer unter dem Verdacht versuchten sexuellen Miss- brauchs steht. Befördert wird diese vermeintliche Täterschaft durch den eigentli- chen Täter, einen Schüler, der, wie sich gegen Ende zeigt, unter der emotionalen Inkompetenz seiner wohlhabenden, posttraumatisierten Eltern leidet, die ihn materiell überversorgt, aber nie zärtlich umsorgt haben. Auch mehr als sechs Jahrzehnte nach Kriegsende, dies führt der mehrschichtige Generationenkonflikt in den filmischen Episoden und deren Schnittstellen vor, verkehren, überlagern und verzetteln sich Täterschaft und Opferstatus, Schuld und Leiden. Noch immer sind Traumata auszumachen, die Erinnerungen blockieren. Entsprechend kont- rastieren die größtenteils in fast blendender Helligkeit gedrehten Szenen effekt- voll mit den nicht-erzählten Dramen, mit dunklen Leerstellen in ungeklärten Familiengeschichten. Im Nationalsozialismus erfolgt durch die Ablichtung von Opfern aus Täter- sicht eine deutliche Rollenzuschreibung, indem das ‚Schießen‘ solcher Fotos an die drohende oder folgende Erschießung erinnert. Im Vergleich zum nationalso- zialistischen Dokumentationswahn, der sich auch fotografisch niederschlägt, existieren sehr wenige Ablichtungen des Gräuels aus Opferperspektive. Zu den bekanntesten Beispielen zählen wohl die 1944 von Mitgliedern des Sonderkom- mandos heimlich angefertigten Aufnahmen aus Auschwitz-Birkenau. In Bilder trotz allem fasst Georges Didi-Huberman diese Fotos als Zeitzeugnisse auf, um sich auch teils spekulativ von Auschwitz „ein Bild [zu] machen“ (2007, 53).2 In der Studie, deren zweiter Teil eine ausführliche Auseinandersetzung mit der um 2000 vor allem aus Frankreich stammenden Kritik an dem fotografischen Spu- renlesen darstellt, werden facettenreiche Bezüge, in denen Shoah-Fotografien entstanden und stehen, angeführt. Anhand der vier bis auf eine Ausnahme bereits seit 1945 bekannten und sehr unterschiedlich rezipierten Fotografien ver- sucht Didi-Huberman „Fetzen“ (2007, 15) der Vergangenheit zu profilieren, die zwar keine allgemeingültige Wahrheit, aber jeweils eine vielschichtig spuren- hafte Momentaufnahme sichtbar machten. Hierzu gehören etwa der Status und die Lesbarkeit der Fotografien als „[produktiver] Akt des Widerstands in Ausch- witz im Jahr 1944“ (2007, 93) oder die Auffassung vom „Bild als Riß, das einen 2  Zum fotografischen Bilderstreit zwischen diesem Autor und Claude Lanzmann im Kontext der Shoah-Erinnerung vgl. Gerstner 2013, 230–235.
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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Titel
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Herausgeber
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Milošević
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
350
Schlagwörter
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, Transnationalität
Kategorie
Lehrbücher
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