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Ljiljana Radonić
Opfer ausstellen: Individuelle und kollektive
Opfernarrative in postsozialistischen
Gedenkmuseen
2002 diagnostizierte Jeffrey C. Alexander als einer der ersten, dass der Holocaust
zu einem universalisierten Symbol geworden ist. Doch diese „Universalisierung
des Holocaust“ (Eckel und Moisel 2008) hat zwei sehr verschiedene Gesichter.
Einerseits lässt sich mit Alexander festhalten: „the originating historical event,
traumatic in the extreme for a delimited particular group, has come over the last
fifty years to be redefined as a traumatic event for all of humankind“ (2002, 6). Er
bezieht sich dabei unter anderem auf Dan Diners Begriff des „Zivilisationsbruch
Auschwitz“ und den Holocaust als „negative Ikone“ (Diner 2007, 7) der Mensch-
heit. Andererseits hält Alexander fest: „Evoking the Holocaust to measure the
evil of a non-Holocaust event is nothing more, and nothing less, than to employ
a powerful bridging metaphor to make sense of social life. The effort to qualify
as the referent of this metaphor is bound to entail sharp social conflict, and in
this sense social relativization, for successful metaphorical embodiment brings
to a party legitimacy and resources“ (2002, 51). Mit Daniel Levy und Natan Sznai-
der ließe sich fortführen, der Holocaust sei zu einem „Container“ für andere
Opfererinnerungen geworden (2007, 229). Die „Universalisierung“ schlägt sich
also zum einen als Anerkennung des Holocaust als „Zivilisationsbruch“ nieder,
zum anderen steht holocaust – wie er im Englischen zuweilen auch mit kleinem
Anfangsbuchstaben geschrieben wird – als Sinnbild für Massenverbrechen im
Allgemeinen, die oftmals zum Holocaust in Konkurrenz gesetzt werden, was
Opferhierarchien produziert.
Anhand des nach 1989 in postsozialistischen Ländern stattfindenden Neu-
schreibens von Geschichte1 werden die Folgen dieser Doppelbedeutung des Uni-
versalisierungsprozesses besonders gut sichtbar. Dieser schlug sich nach der
Gefördert durch den Austrian Science Fund (FWF): V 663–G28.
1  Auch wenn es in der sozialistischen Ära – insbesondere in der Liberalisierungsphase der
1960er Jahre – in einigen Ländern leichter war, marginalisierte Themen wie den Holocaust in das
sozialistische Narrativ vom antifaschistischen Widerstand zu integrieren, so konnte erst ab 1989
– vor allem auch im Zuge der zuvor naturgemäß unerwünschten Aufarbeitung der Verbrechen
der sozialistischen Ära – durchgängig eine Neubewertung der jeweiligen nationalen Geschichte
erfolgen.
Open Access. © 2020 Ljiljana Radonić, publiziert von De Gruyter.
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https://doi.org/10.1515/9783110693461-003
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Titel
- Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Herausgeber
- Eva Binder
- Christof Diem
- Miriam Finkelstein
- Sieglinde Klettenhammer
- Birgit Mertz-Baumgartner
- Marijana Milošević
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069346-1
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, Transnationalität
- Kategorie
- LehrbĂĽcher