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Während in den Museumsführern aus Jasenovac „Zigeuner – Roma“ (Tri
vun-
čić 1974, 28) bereits seit 1974 zumindest kurz erwähnt werden,5 kommen sie in
den Publikationen des Museums des Slowakischen Nationalaufstands aus 1977,
1985 oder 1990 nicht vor (Radonić 2015, 67). Erwähnt werden Roma erst in den
beiden Guidebooks aus 2000 und 2006, was als Folge der Universalisierung des
Holocaust begriffen werden kann. Die erste Erwähnung aus 2000 bleibt jedoch
verhalten: „In the camps Jews, Gypsies, socially discriminated people – non-
Aryans – were placed, having been deprived of all citizen and human rights“
(Slovak National Uprising Museum 2000, 15). In der aktuellen Ausstellung aus
2004 fällt der niedrige Rang der Roma-Opfer in der Hierarchie der Sichtbarkeit
auf: Sie sind einzig auf einer Gedenktafel für den „Roma Holocaust“ außen an
der Museumswand und auf den Computer-Bildschirmen vertreten. Im Rest der
Ausstellung werden sie unter dem Begriff racially persecuted people subsumiert.
Acht der rund tausend Seiten Information auf den interaktiven Computerbild-
schirmen sind unter dem Titel „Persecution and repressions against Romany
population“ den Roma-Opfern gewidmet: „From autumn 1942 to autumn 1944
the Roma question in Slovakia was solved in form of labour camps for antisocial
and difficult to adapt people.“ Der Begriff Roma question wird hier nicht unter
Anführungszeichen gesetzt und auch gibt es keinerlei Distanzierung von der Dar-
stellung der Roma als antisocial. Erstmals wird jedoch auch ausführlich auf die
massenhafte Ermordung von Roma nach der Niederschlagung des Slowakischen
Nationalaufstands im Herbst 1944 eingegangen, werden die Erschießungen
und das Verbrennen von Roma, Romnija und ihren Kindern in kleinen Dörfern
wie den großen Hinrichtungsstätten Kremnička und Nemecká behandelt. Sie
bleiben jedoch (anonyme) Opfer, ihre Mitwirkung am Slowakischen National-
aufstand zuvor (Husova 2006) wird unterschlagen. Die Mehrzahl der Fotografien
auf diesen acht Bildschirmseiten zeigt die Exhumierung von Massengräbern,
zuerst anonyme Leichen im Schlamm, dann auf Holzplanken. Ein Foto treibt die
entmenschlichende Abbildung anonymer Leichen auf die Spitze. Auf ihm sieht
man, wie zwei Männer einen kopfüber hängenden Toten mit einem Seil, das am
Bein des Leichnams befestigt ist, aus einer Grube ziehen. Doch im Gegensatz zu
Jasenovac finden sich hier zum Schluss auch zwei Porträtfotos junger Männer,
Jozef und Jakub Eremiaš, zweier erstmals namentlich bezeichneter Roma, die am
20. November 1944 in Kremnička ermordet wurden. Während andere Opfer auf
den Bildschirmen meist mit Privatfotos gezeigt werden, ist dies bei den Roma-
Opfern die große Ausnahme.
5 Siehe auch Jokić 1981, 5.
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Titel
- Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Herausgeber
- Eva Binder
- Christof Diem
- Miriam Finkelstein
- Sieglinde Klettenhammer
- Birgit Mertz-Baumgartner
- Marijana Milošević
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069346-1
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, Transnationalität
- Kategorie
- Lehrbücher