Seite - 65 - in Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Bild der Seite - 65 -
Text der Seite - 65 -
Opfer ausstellen
65
in den gesamteuropäischen Zusammenhang der NS-Vernichtungsmaschinerie zu
stellen, so sehr muss dieser prominente Verweis auf Hitler genau dort, wo es um
die Ustaša-spezifische Ermordung der serbischen Bevölkerung geht, als Exter-
nalisierung der Verantwortung gedeutet werden. Verstärkt wird dieser Eindruck
durch die untergeordnete Position Pavelićs, der auf einer Treppe stehend zu Hitler
aufsieht. Auf dem anderen Foto ist hinter einem jüdischen Häftling, der gerade
seinen Ehering abnimmt, ein Ustaša-Wachmann zu erkennen. Das Foto ist jedoch
zuge
schnitten, sodass wir den anderen Wachmann, der einen Fez, die muslimi-
sche Kopfbedeckung, mit einem Ustaša-Abzeichen trägt, nicht sehen, nur seine
Hand, die nach dem Mantel des Häftlings greift. Die Tatsache, dass auch Muslime
zum KZ-Personal gehörten, wird somit ausgelassen. Videos mit Überlebenden-
berichten, von den Häftlingen produzierte Gegenstände, Kleidungsstücke und
Zeichnungen dominieren den ansonsten dunkel gehaltenen Raum und zeich-
nen ein komplexes Bild der Opfer, während als Täter nur die Führer, Hitler und
Pavelić, sowie eine undeutliche Gestalt im Hintergrund in Erscheinung treten.
Bezeichnet werden die Täter in der Ausstellung als „Ustaša-Behörden“,
„Ustaša-Bewegung“ oder als „verantwortliche Ustaša“, doch dies geschieht
nur selten und nicht in jenen Teilen, in denen es um Massenmord geht, wo
passive Formulierungen wie „wurden getötet“ überwiegen. Namentlich genannt
werden neben „Pavelić und seinen Mitarbeitern“ einzig „Ljubo Miloš, der
Ustaša-Oberleutnant“ und nebenbei in der Erklärung eines Metallobjektes Ivica
Matković, der von Jänner 1942 bis März 1943 Jasenovac-Kommandant war. An den
Computerarbeitsplätzen in der Ausstellung und auf der Museumswebsite, also
dort, wo man bestimmte Informationen nur findet, wenn man bewusst danach
sucht, werden neben Ante Pavelić elf weitere Ustaša-Täter vorgestellt: vier füh-
rende Köpfe des Ustaša-Regimes und sieben unmittelbar für den Lagerkomplex
Jasenovac Verantwortliche. So unver
zichtbar die Zeugnisse der individuellen
Opfer sind, so nötig wäre hier eine „integrierte Geschichte“ im Sinne Saul Fried-
länders (2007), die auch die Perspektive der Täter*innen beleuchtet.
3.2 Litauische und ungarische Opfer des kommunistischen
Terrors können keine Täter*innen sein
Im litauischen Museum der Genozidopfer wird in den meisten Kurzbiografien
der Grund für die Verurteilung nicht genannt. Bei einem in einem Lager in der
Magadan-Region Inhaftierten heißt es, er sei wegen Teilnahme am Widerstand
zu 25 Jahren verurteilt worden. In der Regel ist aber von „peaceful inhabitants
of the country“ (Rudienė und Juozevičiūtė 2006, 52) die Rede. Besonders viel
Raum wird in der Ausstellung der Verfolgung von Kirchenvertretern eingeräumt.
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Titel
- Opfernarrative in transnationalen Kontexten
- Herausgeber
- Eva Binder
- Christof Diem
- Miriam Finkelstein
- Sieglinde Klettenhammer
- Birgit Mertz-Baumgartner
- Marijana Milošević
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069346-1
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 350
- Schlagwörter
- Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, Transnationalität
- Kategorie
- Lehrbücher