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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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66    Ljiljana Radonić Jüdische Opfer sowjetischer Repressionen während der ersten und zweiten Besat- zungszeit oder verfolgte Rabbis werden nicht erwähnt. Da die litauische Ausstellung bis auf den kleinen Ausstellungsraum in einer Zelle im Keller den beiden sowjetischen Besatzungen gewidmet ist, ver- wundert es nicht, dass die Zuordnung in die Kategorien Opfer und Täter*innen dementsprechend erfolgt. Die Konsequenz daraus ist jedoch, dass auch NS- Kollaborateur*innen als Opfer geehrt werden, sofern sie später von den sowjeti- schen Behörden verfolgt wurden. So findet sich etwa unter den an der Fassade des imposanten Gebäudes entlang eingemeißelten Namen von Hingerichteten der Name des 1947 hingerichteten Antisowjetkämpfers Jonas Noreika. Auch im Exeku- tionenraum im Keller des Gebäudes wird Noreika geehrt, einem Raum, in dem sich unter dem Glasboden Gegenstände von Opfern des sowjetischen Terrors befinden (die jedoch nicht in diesem Gebäude gefunden wurden, sondern in der nahegele- genen Hinrichtungsstätte Tuskulėnai). In einem Raum, dessen Glasboden-Ästhe- tik an Holocaust-Gedenkstätten angelehnt ist und der somit auch auf der gestalte- rischen Ebene implizit die Botschaft vom sowjetischen Holocaust an den Litauern transportiert, wird also ein Mann geehrt, auf dessen Rolle als NS-Kollaborateur und Mitverantwortlichen für den Holocaust die jüdische Gemeinde bereits seit langem hinweist (Balčiūnas 2012). Im Sommer 2018 erschien nun auch der Bericht der Enkelin von Noreika, Silvia Foti, die zu der Erkenntnis gelangte, ihr Großvater sei als Chef der litauischen Distrikts verwaltung federführend bei dem antisowje- tischen Aufstand kurz vor der deutschen Machtergreifung 1941 gewesen, der auch den Beginn des Holocaust in Litauen markiert: „Within three weeks, 2,000 Jews had been killed in Plungė, half the town’s population, and where my grandfather led the uprising. […] My grandfather must have sanctioned the murders of 2,000 Jews in Plungė, 5,500 Jews in Šiauliai and 7,000 in Telšiai“ (2018). Auch im Budapester Haus des Terrors werden an der „Wand der Opfer“ im Keller diese namentlich genannt. Wie im litauischen Fall gilt aber auch hier ausschließlich der Opferstatus nach 1945 als ausschlaggebend, und warum die jeweilige Person zum Opfer des Terrors wurde, wird nicht ausgeführt. So etwa bei Zoltán Bilkei-Papp, der 1944 bewaffnetes Mitglied der Pfeilkreuzler war: „1945 verbreitete er antisemitische Flugblätter mit dem Titel ‚Judenwelt in Ungarn‘. […] Bilkei-Papp wurde also einmal straffällig im Jahre 1944, als er nachweislich Mord und Beihilfe zum Mord als bewaffneter Pfeilkreuzler beging, und einmal im Jahre 1945 als notorischer Antisemit. Trotzdem steht sein Name auf der ‚Wand der Opfer‘“ (Ungváry 2006, 213). Auch über György Donáth verrät das Museum nicht mehr, als dass er bei einem Prozess gegen die „Ungarische Gemeinschaft“ zum Tode verurteilt wurde. Wir erfahren jedoch nicht, dass es sich hierbei um eine rassistische Organisation handelte, „die keine Juden oder Deutsche als Mitglie- der aufnahm. Donáth und die ‚Ungarischen Gemeinschaft‘ planten zwar keine
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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Titel
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Herausgeber
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Milošević
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
350
Schlagwörter
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, Transnationalität
Kategorie
Lehrbücher
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