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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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68    Ljiljana Radonić die Juden‘ gelitten habe, findet sich weder im Museum des Slowakischen Natio- nalaufstands noch im Jasenovac-Gedenkzentrum. Diese zweite Bedeutung des PhĂ€nomens der Universalisierung des Holo- caust, dass die Shoa zum „Container“ fĂŒr andere Opfererinnerungen werde, zu einer Schablone fĂŒr die Darstellung des ‚eigenen‘ Leides, ist im litauischen und im ungarischen Fall hingegen omniprĂ€sent. Die Ästhetik von Holocaust-Museen wird hier ĂŒbernommen: im Haus des Terrors in Anlehnung an den Tower of Faces, im Museum der Genozidopfer etwa durch die Installation eines Glasbodens und der darunter platzierten GegenstĂ€nde der Opfer. Doch die jĂŒdischen Opfer werden zu anonymen Zahlen, wohingegen die ‚eigenen‘ individuellen Opfer als Mosaik- steine im Narrativ ĂŒber das kollektive Opfer eingesetzt werden. Die TĂ€terschaft in der Zeit der NS-Besatzung wird in beiden FĂ€llen durch den Fokus auf die Opfer des Sowjetterrors ĂŒberschrieben. Interessant ist hierbei aber trotz aller Ähnlichkeit die unterschiedliche geschichtspolitische Richtung, die die beiden LĂ€nder jeweils in den letzten Jahren eingeschlagen haben. Die baltischen Staaten im Allgemeinen und Litauen im Besonderen erachteten es lange Zeit als ĂŒberlebenswichtig, dass ‚Europa‘ aner- kennen möge, dass sie 1944 von der Sowjetunion nicht befreit, sondern besetzt wurden. Trotz Vladimir Putins nun tatsĂ€chlich immer aggressiverer Außenpolitik fand im Kontext des litauischen Museums im Mai 2018 eine von Kritiker*innen im In- und Ausland lange verlangte AbrĂŒstung der Worte statt: Das Museum der Genozidopfer benannte sich nach 26-jĂ€hrigem Bestehen in Museum der Okkupa- tionen und der FreiheitskĂ€mpfe um. Die Entwicklung in Ungarn weist seit Viktor OrbĂĄns neuerlichem Wahlsieg 2010, der zunehmenden BeschĂ€digung demokrati- scher checks and balances, antieuropĂ€ischer und antiwestlicher Rhetorik und der AnnĂ€herung an Russland hingegen in eine zunehmend geschichtsrevisionisti- sche Richtung. 2014 wurde auf dem Freiheitsplatz in Budapest mit dem Denkmal fĂŒr die Opfer der deutschen Besatzung das Kollektivopfer Ungarn einzementiert: in Form des Ungarn symbolisierenden Erzengels Gabriel, der vom deutschen Reichsadler angegriffen wird. Eine individualisierte Darstellung der Opfer erweist sich als unverzichtbar fĂŒr heutige Ausstellungen. Doch dieser Zugang hĂ€lt auch einige Fallstricke bereit: Ein Fokus auf die Opfer ohne Einbeziehung der TĂ€ter*innen spart schmerzhafte Fragen nach der Verantwortung des eigenen Kollektivs ebenso aus wie eine ver- einfachende TĂ€ter-Opfer-Dichotomie, die bei allen Opfern sowjetischer Repres- sion quasi-automatisch das Sprechen ĂŒber ihre etwaige NS-Kollaboration ver- unmöglicht. Und schließlich kann die Einbeziehung individueller Geschichten ‚unserer‘ Opfer dazu verwendet werden, diese in ein kollektives Opfernarrativ einzubinden, in dem der Staat als organischer Volkskörper begriffen wird. Wenn ‚unser‘ Leiden dabei mit dem der JĂŒd*innen gleichgesetzt wird, beweist letztlich
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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Titel
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Herausgeber
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Miloơević
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
350
Schlagwörter
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
Kategorie
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