Seite - 11 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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chen Anpassungsbereitschaft und von ihrem Verhältnis zum Zionismus insgesamt
ab. Die Massen an europäischen Jüdinnen und Juden, die speziell nach 1938 als
Flüchtlinge ins Land gekommen waren, wurden von den früheren, sich selbst zur
Pioniergeneration zählenden Einwanderergruppen keineswegs mit offenen Armen
empfangen.
Für den Großteil der österreichischen und (mittel-)europäischen Jüdinnen und
Juden blieb Palästina in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einer Reihe
von Gründen ein äußerst unattraktives Land. Spärliche Informationen über die
Gegebenheiten, die unsichere politische und wirtschaftliche Situation, sprachliche
und klimatische Unterschiede und die Befürchtung, einen beruflichen und sozialen
Abstieg erleiden zu müssen, sind exemplarisch als Ursachen zu nennen, die selbst
Zionistinnen und Zionisten vor einer Übersiedelung nach Palästina abschreckten.
Ein persönliches Naheverhältnis zum Zionismus und die Mitgliedschaft in einem
zionistischen Verein hießen noch lange nicht, dass auch die Alijah tatsächlich
angestrebt wurde. Dass sich die Mehrheit der Sympathisanten und Befürworter
der zionistischen Bewegung in den 1930er Jahren darauf beschränkte, das jüdi-
sche Palästina ideologisch und finanziell zu unterstützen, verdeutlicht die bekannte
Charakterisierung des Zionisten als jemanden, der einen reichen Juden überzeugt,
einem dritten Juden Geld zu geben, damit der nach Palästina auswandern kann.6
Nicht nur in Österreich war der Zionismus für seine Anhängerinnen und Anhänger
vorwiegend eine Suche nach jüdischem Selbstbewusstsein und eine Reaktion auf
den Assimilationsdruck und weniger eine Identifikation mit den Vorstellungen und
Zielen eines Theodor Herzl, wonach konsequenterweise auch die Niederlassung in
Palästina Teil der zionistischen Überzeugung war.
Wenn auch in bescheidenem Ausmaß, waren österreichische Jüdinnen und Juden
nichtsdestotrotz vereinzelt unter den frühen Einwanderungswellen zu finden und
stellten ab den 1920er und 1930er Jahren einen beständigen Anteil an den Alijoth.
Einen größeren Umfang nahm die österreichische Alijah erst in den Jahren 1938
und 1939 an, als infolge des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich und
der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vertreibungspolitik Fluchtmöglichkei-
ten gefunden werden mussten und auch Palästina (zwangsläufig) zur Option wurde.
Die ideologische Haltung der Emigrantinnen und Emigranten kann sich in den
Auswanderungszahlen für Palästina jedoch nur bedingt widerspiegeln
– wie nach-
folgend dargestellt wird, hing die Wahl des Ziellandes vor allem im Falle der öster-
reichischen Jüdinnen und Juden, die im Unterschied zur jüdischen Bevölkerung
Deutschlands binnen kürzester Zeit fliehen mussten, weniger von der persönlichen
Entscheidung als von Faktoren ab, die außerhalb der eigenen Einflusssphäre lagen.
Die vorliegende Arbeit behandelt die Auswanderung und Flucht österreichi-
scher Jüdinnen und Juden nach Palästina von 1920 bis 1945 und bettet diese in
die Geschichte der allgemeinen Alijah vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum
6 Gad Granach, Heimat los! Aus dem Leben eines jüdischen Emigranten, Augsburg 1998, S. 65.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918