Seite - 34 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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gezogen werden. Unterstützung glaubte er sogar in antisemitischen Kreisen zu
finden, da diese ja einen jüdischen Exodus aus Europa nur begrüßen könnten.69
Die Vision von der Errichtung eines Judenstaates erzeugte innerhalb der jüdi-
schen Gemeinschaft gleichermaßen euphorische Zustimmung und heftige Ableh-
nung. Unter den Gegnern fanden sich nicht nur vorrangig in Westeuropa lebende
Jüdinnen und Juden, für die die nationalstaatlichen Bestrebungen insgesamt ver-
werflich waren
– nicht zuletzt aus Sorge um die Reaktion der Antisemiten, von wel-
chen ihnen ohnehin mangelnder Patriotismus vorgeworfen wurde. Zurückweisung
erfuhr Herzl auch von Seiten vieler Rabbiner, die den Zionismus als Widerspruch
zu den messianischen Verheißungen im Judentum interpretierten, wonach die
Erlösung ein geduldiges Warten in der Diaspora erfordern würde. Dass er sich in
seinen Ausführungen kaum auf traditionell-religiöse Überlieferungen stützte, wird
vor allem daran deutlich, dass er den Ort für die Verwirklichung seiner Pläne zu
Beginn offen ließ und von rein pragmatischen Gesichtspunkten ausging. Zumindest
gelang es ihm, indem er von den unterschiedlichen Komponenten der „Judenfrage“
ausschließlich den nationalen Aspekt berücksichtigte, in kurzer Zeit die Anhänger-
innen und Anhänger der zionistischen Sache aus den verschiedensten Ländern zu
vereinen.70
Mit unermüdlichem Engagement versuchte Herzl, vor allem aus politischen
Kreisen Unterstützung für die Errichtung eines Judenstaates zu gewinnen. Als zio-
nistisches Organ gründete er 1897 die Wochenzeitung „Die Welt“ und berief im
selben Jahr den „Ersten Zionistischen Weltkongress“ ein, der am 29.
August in Basel
zusammentraf. Trotz aller ideologischen Gegensätze einigten sich die 197 Delegier-
ten aus 16 Ländern auf das so genannte „Baseler Programm“, das „für das jüdische
Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“71
forderte. Die Zustimmung der einzelnen Fraktionen ermöglichte nicht zuletzt
die aus vier Punkten bestehende Spezifikation über die geplanten Mittel: „1. Die
zweckdienliche Besiedlung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern, Handwerkern
und Gewerbetreibenden. 2. Die Gliederung und Zusammenfassung der gesamten
Judenschaft durch geeignete örtliche und allgemeine Veranstaltungen nach den
Landesgesetzen. 3. Die Stärkung des jüdischen Volksgefühls und Volksbewusstseins.
4. Vorbereitende Schritte zur Erlangung der Regierungszustimmungen, die nötig
sind, um das Ziel des Zionismus zu erreichen.“72 Als Instrument zur Umsetzung
wurde außerdem die „Zionistische Weltorganisation“ gegründet, die sich aus den
erwachsenen, den Organisationsbeitrag (Schekel) zahlenden Jüdinnen und Juden
zusammensetzte.
Grundlegende Meinungsverschiedenheiten zwischen den zionistischen Grup-
pierungen waren jedoch keineswegs beseitigt worden. Ablehnung rief Herzls Pro-
69 Der Antisemitismus würde nach Herzl auch zur Auswanderungsbereitschaft beitragen: „Ein müh-
sames Anfachen der Bewegung wird wohl kaum nötig sein. Die Antisemiten besorgen das schon
für uns. Sie brauchen nur soviel zu tun wie bisher, und die Auswanderungslust der Juden wird
erwachen, wo sie nicht besteht, und sich verstärken, wo sie schon vorhanden ist.“ Ebda., S. 79.
70 Schoeps, Zionismus, S. 18 f.
71 Ebda., S. 19.
72 Zit. in: Gaisbauer, Davidstern, S. 88.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918