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Das britische Palästina-Mandat
Nachdem die Briten Ende 1917 den Sinai und das südliche Palästina erobert hatten
und kurze Zeit darauf in Jerusalem einmarschiert waren, etablierten sie eine alliierte
Militärverwaltung („Occupied Enemy Territory Administration“), die in den folgen-
den zwei Jahren verschiedene administrative, wirtschaftliche und sicherheitspoliti-
sche Aufgaben wahrnahm. Der im Juni 1919 geschlossene Völkerbundvertrag wollte
die neue völkerrechtliche Ordnung durch ein Mandatssystem103 geregelt wissen,
das die eroberten Gebiete unter die Vormundschaft „fortgeschrittener Nationen“
stellte. In diesem Sinne wurde das Palästina-Mandat in der Konferenz von San
Remo Großbritannien zugesprochen, wobei die genauen Aufgabenbereiche erst
1922 festgelegt wurden. Mit der Leitung der Verwaltung wurde ein dem britischen
Kolonialministerium unterstehender Hochkommissar (High Commissioner) beauf-
tragt (von 1920 bis 1925 übte Herbert Samuel das Amt aus), der von einem rein
britischen Exekutivrat und einem Beratungsgremium, das sich aus jeweils zehn
britischen Beamten und zehn ernannten Mitgliedern (vier Muslime, drei christliche
Araber, drei Juden) zusammensetzte, unterstützt wurde. In seiner Person verei-
nigte der Hochkommissar die legislative und exekutive Gewalt sowie das Ober-
kommando über das Heer.
Im Gegensatz zum zeitgleich in Kraft getretenen französischen Mandat über
Syrien war Palästina von Beginn einem Sonderstatus unterworfen, der sich aus
den jüdischen Ansprüchen auf nationale Selbstverwirklichung und (nach Balfour)
durch die Absicht, „eine neue Gemeinschaft wiederherzustellen (re-constitute a
new community)“104, ergeben hatte. Eine einzigartige Situation bot sich aber schon
allein aufgrund der beinahe wortwörtlichen Zitierung und damit völkerrechtlichen
Anerkennung der Balfour-Deklaration, wonach die Briten als Mandatare explizit
dazu verpflichtet wurden, das jüdische Volk bei der Errichtung einer nationalen
Heimstätte in Palästina zu unterstützen. Der Präambel des Mandatsvertrags wurde
außerdem ein bedeutender Zusatz beigefügt. Es wird erklärt, dass die führenden
alliierten Mächte durch die Annahme der in der Deklaration beschriebenen Politik
die „historische Verknüpftheit (historical connection) des jüdischen Volkes mit
Palästina“105 anerkannt haben. Im Hinblick auf die in 28 Artikeln beschriebenen
Verpflichtungen, die der Mandatsmacht und der Verwaltung auferlegt wurden,
103 Angesichts der Tatsache, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen Gebiete nach dem
von Woodrow Wilson deklarierten „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ die Herrschaft über ihr
eigenes Territorium erlangen hätten müssen, ist das Mandatssystem als „politisches Kunstmittel“
zu beschreiben, das vorrangig darauf abzielte, nicht den imperialen Interessen der Europäer ent-
gegenzulaufen. Vgl. Luft, Heimkehr, S. 28.
104 Zit. in: Krämer, Geschichte Palästinas, S. 199.
105 Bericht über Palästina erstattet durch die britische königliche Palästina-Kommission unter dem
Vorsitz von Earl Peel und auf Befehl seiner Britischen Majestät vom Staatssekretär für die Kolonien
dem Britischen Parlament vorgelegt im Juli 1937, Berlin 1937, S. 38.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918