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wurde dies durch die Anwendung des Grundsatzes der „ökonomischen Aufnahme-
fähigkeit“ (economic absorptive capacity), der im „Churchill-Memorandum“ der
britischen Regierung (1922) offiziell verankert wurde:
„Diese Einwanderung kann nicht so groß sein, dass sie die jeweilige wirt-
schaftliche Aufnahmefähigkeit des Landes zur Absorbierung neuer An-
kömmlinge übersteigt. Es ist wesentlich, dass Sicherheit dafür besteht, dass
die Einwanderer nicht der Gesamtheit der Bevölkerung Palästinas zur Last
fallen und dass sie nicht irgendeinen Teil der vorhandenen Bevölkerung aus
ihrer Arbeit verdrängt.“112
Die ökonomische Fassungskraft des Landes war demnach ausschlaggebend für die
Anzahl der Einwanderungsgenehmigungen, die neben dem Visum die unbedingte
Voraussetzung für die Immigration nach Palästina waren.
Grundsätzlich basierte die Einwanderung auf der britischen „Immigration
Ordinance“ von 1920, bei deren Ausarbeitung (zumindest in gewissem Ausmaß)
auch zionistische Repräsentanten beteiligt waren. Um der politischen und wirt-
schaftlichen Situation des Landes zu entsprechen, wurden die im Detail festgelegten
Bestimmungen allerdings laufend durch Zusatzartikel (amendments) modifiziert
und erweitert.
Als Einwanderin oder Einwanderer war anzusehen, wer die Absicht hatte, länger
als ein Jahr im Land zu bleiben oder Arbeit anzunehmen. Das Einwanderungs-
gesetz unterschied vier Hauptkategorien, die wiederum in mehrere Unterkatego-
rien geteilt wurden.113 Kategorie A meinte im Allgemeinen Personen mit eigenem
Vermögen. Inhaberinnen und Inhaber des so genannten „Kapitalisten“-Zertifikats
(Kategorie A/1) waren Personen, „die ein nachweisbar eigenes, freies und zeitlich
unbeschränkt verfügbares Vermögen von mindestens 1000 Pfund Sterling besit-
zen.“ Das Vorzeigegeld konnte bis zu 50 Prozent aus Bodenbesitz in Palästina oder
Inventar für die künftige landwirtschaftliche, industrielle oder gewerbliche Betä-
tigung bestehen. Einzig diese Art der Genehmigung unterlag keiner Begrenzung
und berechtigte zur Mitnahme von Ehefrau und Kindern unter 18
Jahren. Ebenfalls
in die Gruppe der vermögenden Immigrantinnen und Immigranten fielen Ange-
hörige freier Berufe, die mindestens 500 Pfund besaßen und deren Tätigkeiten im
Land benötigt wurden (A/2); Facharbeiter, die sich in Palästina selbständig machen
wollten und über 250
Pfund verfügten (A/3); Rentenempfänger mit einem lebens-
länglich gesicherten Einkommen (A/4), sowie Personen mit (nicht näher spezifi-
zierten) seltenen Berufen mit einem Kapital von 500 Pfund (A/5). Personen, deren
Unterhalt gesichert war, konnten mit Zertifikaten der Kategorie B einreisen. Dazu
zählten Waisen unter 16
Jahren (B/1), religiöse Funktionäre (B/2) und Schüler und
Studierende (B/3), die die Zulassung zu einer Unterrichtsanstalt in Palästina nach-
weisen konnten. Die so genannten Arbeiterzertifikate (Kategorie C), um die sich
112 Peel-Bericht, S. 337.
113 Nach Ebda.,; Peel-Bericht, S. 321–328; Palästina-Amt Wien (Hg.): Neues Palästina-Informations-
buch, Wien 1936, S. 58–63.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918